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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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mit dem lustigen Flusspferd an der Wand, auf das Eisengatter und auf das niedrige Café ein gigantischer Schatten, der alles verschlang. Iwan rannte so schnell er konnte, denn er wusste, wenn er es in Mamas Arme schaffte, dann würde ihm nichts geschehen.
    Ihm würde nichts geschehen.
    Wie eine schnalzende Feder peitschte Sirenengeheul durch die Luft und schraubte sich in den Himmel. »Atomalarm!«, brüllte ein Lautsprecher. »Begeben Sie sich in die Schutzbunker. Die Metrostationen sind nur für den Zugang geöffnet. Ich wiederhole … nur für den Zugang.« Das peitschende Sirenengeheul verzerrte ihre Gesichter, zerknitterte sie wie Folie. Iwan und seine Mutter rannten. In einem Strom von Menschen mit genauso fratzenhaften Gesichtern.
    »In dreizehn Minuten werden die hermetischen Tore geschlossen«, verkündete die Stimme.
    »In zwölf Minuten …«
    »Gehen wir, ich zeige dir, was wir jetzt nicht mehr haben.« Postyschew ging voraus.
    Am Maschinenraum waren zwei Mann postiert. Der eine hielt eine Kalaschnikow in Händen, der andere eine Flinte Marke Eigenbau. Abermals bereute es Iwan, dass er seinerzeit die Doppelflinte nicht gekauft hatte. Er hätte sie doch kürzen können.
    Abgesägte Flinten sind eine feine Sache. Der Lauf ist dasjenige Bauteil eines Gewehrs, das sich am schnellsten abnutzt, und mit Eigenbau kommt man beim Lauf nicht weit, dazu braucht es eine spezielle Werkzeugmaschine und einen versierten Waffenschmied. Deshalb erfüllt das Kürzen einen doppelten Zweck. Wenn man die Läufe einer Jagdflinte sauber absägt, erhält man einerseits eine ausgezeichnete Nahkampfwaffe und andererseits zwei Reserveläufe mit passendem Kaliber.
    Im Moment war es bei den Streifzügen an der Oberfläche noch relativ einfach, Patronen aufzutreiben. Doch früher oder später würde diese Quelle versiegen. Es sei denn, man plünderte irgendein Armeelager. Ein verlockender Gedanke, übrigens. Iwan schüttelte den Kopf. Das Problem war nur, dass man ein solches Lager erst einmal finden musste.
    Eigentlich verfügten nur Iwans Kämpfer und die Stationsmiliz über eigene Gewehre, die übrigen Waffen wurden beim Kommandanten unter Verschluss gehalten. Für den Fall einer Invasion. Vor diesem Hintergrund verwunderte es, dass hier gleich zwei bewaffnete Posten standen, noch dazu Männer, die eine Waffe unter normalen Umständen nicht einmal zu Gesicht bekommen hätten.
    »Wo ist Sasonow?«, erkundigte sich Iwan.
    »Hat die Verfolgung aufgenommen.«
    »Die Verfolgung?«
    Iwan kratzte sich am Kopf. So kurz nach dem Aufwachen waren seine Sinne offenbar noch benebelt. Vor Müdigkeit klapperten ihm die Zähne und seine Knie schlotterten jämmerlich. Am liebsten hätte sich Iwan einfach auf den Boden gelegt und die Augen zugemacht. Seine Umgebung nahm er immer noch wie durch einen Schleier wahr: Umrisse erschienen verschwommen, blasse Farben grell, und selbst schwaches Licht blendete ihn. Seine Brust schmerzte und die Augen brannten.
    Iwan war bewusst, dass im Augenblick nicht viel mit ihm anzufangen war, doch er riss sich zusammen.
    »Was für eine Verfolgung denn?«, bohrte er nach.
    Statt zu antworten, marschierte Postyschew an den Wachposten vorbei in den Maschinenraum. Iwan folgte ihm.
    »Siehst du?«, fragte Postyschew, ohne sich umzudrehen.
    Iwan betrachtete den breiten Rücken des Kommandanten: So was, seine Jacke ging ja völlig aus dem Leim, dass seine Frau das nicht sah?! Dann schaute er sich um. Den Maschinenraum hatte man einst in demselben grauenhaften Grün gestrichen wie die meisten Dienst- und Technikräume. Die ursprünglich weiße Decke war inzwischen gelblich-grau und mit schwarzen Rußstreifen überzogen. An der Wand standen Metall- und Plastikkanister mit Diesel.
    Von der Decke wand sich ein Rohr in mehreren Biegungen zum Dieselgenerator herab. Durch dieses Rohr wurden die Abgase abgeleitet. Ein weiteres sorgte für die Luftzufuhr von der Oberfläche.
    Der Verteilerschrank stand offen und aus seinem Inneren ragten lose Kabel wie Haare aus einer Nase.
    An der Wand hing eine Holztafel mit dem handschriftlichen Hinweis »Raucherzone«. Der Schriftzug war durchgestrichen und darunter stand in Postyschews Handschrift »Wenn ich einen von euch erwische, bringe ich ihn um!«, unterschrieben mit »Der Kommandant«. Genau unter der Holztafel stand eine Blechdose mit Zigarettenkippen am Boden – Leichen waren allerdings keine zu sehen. Er hatte wohl noch keinen erwischt.
    Dann fiel Iwans Blick auf einen Schreibtisch,

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