Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter
einer künstlichen Aufschüttung eine weitere Metrostation errichtet werden. Während der Tunnel schon fast fertig war, hatte man mit der Station noch nicht einmal begonnen. Schon bald nach der Katastrophe drang durch den toten Tunnel Meerwasser ein, das nicht gerade sauber war. Es kam immer mehr. Die Radioaktivität stieg an, erreichte aber keine gefährlichen Werte. Das Problem lag woanders …
Zuerst kamen die Algen aus dem Tunnel.
Und dann die Bestien.
Solange sie nur vereinzelt auftauchten und blindlings ans Licht drängten, war das kein Problem. Man knallte sie einfach ab. Doch dann wurden es immer mehr. Und vor allem stieg der Wasserpegel. Das war das Schlimmste. Irgendwann kam der Punkt, an dem man die Primorskaja aufgeben musste. Die Bewohner kämpften bis zum Letzten um ihre Station, aber am Ende war alles vergebens.
Seit der Katastrophe gab das Meer sowieso Rätsel auf. Der ganze Ozean war ein einziges unheilvolles Mysterium. Wer weiß, was in dieser modernen Ursuppe alles ausgebrütet wurde?
Zum Beispiel dieser durchsichtige Oktopusverschnitt.
Iwan schob sich immer näher an den Rand des Bahnsteigs heran, ohne die Tentakel aus den Augen zu lassen. Obwohl sie nur zum Teil herausragten, maßen sie mehrere Meter. Man konnte sich also ungefähr vorstellen, was für ein Monsterkrake sich dahinter verbarg.
Mit dem Tiger hat er mich schön drangekriegt, dachte Iwan.
Aber vielleicht war daran auch gar nicht der Krake schuld, sondern das vermaledeite Moos? Iwan erinnerte sich an den aufdringlichen, leicht süßlichen Geruch. Vielleicht wirkte das Zeug so ähnlich wie dur und verursachte Halluzinationen? Hatte er die phosphoreszierenden Flecken an den Tentakelenden für die Augen des Tigers gehalten?
Weiß der Geier.
Vielleicht hätte ich nicht allein herkommen sollen, dachte Iwan. Zum Diggen geht man nicht allein. Andererseits suche ich ja nicht nach irgendwelchen Vorräten, sondern nach etwas ganz Bestimmtem. Einem richtigen Juwel.
Eigentlich wäre es vernünftig gewesen, von hier zu verschwinden. Wäre Iwan mit einem Partner unterwegs gewesen, hätte er längst zum Rückzug geblasen. Man durfte andere nicht gefährden, indem man unnötige Risiken einging.
Aber jetzt war er allein. Und er musste unbedingt in diesen Raum gelangen und dieses Ding finden.
Morgen wäre es schon zu spät.
Nachdenken, Iwan, nachdenken.
Die Tentakel gingen inzwischen getrennte Wege. Der eine war auf einen aufgeplatzten Sandsack gestoßen. Im Nu packte er ihn und hob ihn übers Gleis. Iwan konnte gar nicht so schnell schauen, wie das geschah.
Platschend rauschte der Sand ins Wasser. Der Fangarm zuckte kurz und schwenkte sofort wieder zurück. Der schmutzige Sack fiel in die Wasserlache am Bahnsteig.
Der andere Fangarm wandte sich von der Säule ab und näherte sich Iwans Helm.
Der Lichtstrahl der Lampe lag in den letzten Zügen. Ein Jammer. Es blieb wohl nichts anderes übrig, als auf die Karbidlampe zurückzugreifen. Warum auch nicht. Schließlich schleppte er nicht umsonst einige Kilo trockenes Karbid mit sich herum.
Plötzlich durchfuhr Iwan ein Gedanke. In der Tat. Das Karbid.
Iwan kniete nieder, schob das Gewehr auf den Rücken und holte die Lampe aus seiner Tasche heraus. Eigentlich ein total simples Teil: kleiner Brenner, Spiegel, Zündstein und Reibrad zum Anzünden, ein Kunststoffbehälter mit zwei Kammern, die obere für das Wasser, die untere für den Brennstoff. Alles ganz einfach.
Das Wasser tropft durch ein Röhrchen auf das Karbid. Dabei entsteht Acetylen, das durch eine Rohrleitung in den Brenner gelangt. Wir entzünden es und montieren die Lampe in der entsprechenden Vorrichtung am Helm. Fertig. Ohne Helm geht es nicht.
Acetylen kann nämlich explodieren.
Iwan griff abermals in die Tasche, tastete nach der Plastiktüte mit dem Karbid und zog sie heraus. Ganz schön schwer, vor allem mit einer Hand. Für drei Stunden Licht brauchte man ungefähr dreihundert bis vierhundert Gramm Karbid. Dazu kam ein Notvorrat für einige Tage. Insgesamt hatte er sieben Kilo dabei.
Normalerweise benutzte Iwan die Karbidlampe als Hauptlichtquelle, doch diesmal hatte er beschlossen, das wertvolle Material zu sparen und sich mit der LED zu begnügen. Batterien konnte man schließlich kaufen oder oben in der Stadt auftreiben. Selbst an der Technoloschka wurden welche hergestellt, wenn auch ziemlich miserable.
Mit dem Karbid war das schon wesentlich schwieriger. Der Wiederaufbau der chemischen Industrie war leider auch
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