Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter
Generator wiedergefunden?«
Der General hatte wieder seinen bohrenden Blick aufgesetzt.
»Nein. Wir suchen noch. Dabei könnten wir durchaus Unterstützung gebrauchen.«
»In Ordnung«, sagte der General und nickte. »Ich werde einige Männer dafür abstellen.«
Iwan fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Er war müde.
Wo konnten die Dreckskerle den Generator nur versteckt haben? Dreckskerle, allesamt! Die Moskowiter sowieso und unsere Leute sind auch nicht viel besser.
Iwan ging zum Tisch hinüber und setzte sich auf den einzigen Stuhl – Rangordnung hin oder her. Das alte Holz knarzte. Er schloss die Augen. Kurz darauf hörte er das Gluckern einer Flüssigkeit.
Iwan sah auf. Der General schenkte Kognak ein.
»Wir trinken einen Schluck und dann gehst du dich ausruhen«, verfügte Memow, als er ihm den Zinnbecher reichte. »Du siehst ja aus wie der Tod. Deinen Generator werden wir schon wiederfinden, keine Sorge.« Er hob sein Glas. »Also dann, auf unseren Sieg.«
Sie stießen an.
Der Kognak brannte in der Kehle. Gutes Zeug, dachte Iwan.
Die Wärme, die der Alkohol von innen verströmte, wirkte entspannend und tauchte die Welt in rosarotes Licht. Das Leben schien auf einmal wieder – erträglich.
»Ich kann’s selbst kaum glauben, dass es geklappt hat«, sagte Iwan und sah Memow beinahe vergnügt an. »Aber alles lief nach Plan, nicht wahr, General?«
»Nun …« Der General druckste ein wenig herum. »Um ehrlich zu sein – nicht ganz.«
»Bitte?!«
»Dachtest du wirklich, dein Plan wäre der einzige gewesen?«
Diese Neuigkeit war eine kalte Dusche für Iwan.
»Aber …«
»Dein Gasangriff war ein Ablenkungsmanöver«, erläuterte Memow. »Unsere Hauptstreitkräfte sind von der Tschernyschewskaja und von der Wladimirskaja her vorgerückt. Mit der Vorbereitung dieser Operation hatten wir schon vor einer Woche begonnen. Der erste Trupp ist gescheitert – er wurde schon beim Vormarsch entdeckt. Der zweite ist im Lüftungsschacht stecken geblieben beim Versuch, hinunterzusteigen. Ein Digger stürzte ab. Die andern versuchten, ihn rauszuholen. Sie wurden alle von den Moskowitern getötet. Eine Granate – und Feierabend. Doch der dritte Trupp hat seine Ausgangsposition erreicht. Und ihnen ist der Durchbruch gelungen, als die Moskowiter durch deinen Gasangriff abgelenkt waren.«
»Und wer hat sich das ausgedacht?«, fragte Iwan.
»Du kennst ihn. Kapitänleutnant Kmiziz.«
Iwan zog die Augenbrauen hoch. Erstaunlich.
»Einen einzigen anständigen Menschen gibt’s bei euch und der ist Orlows Stellvertreter«, kommentierte Iwan spöttisch. »Ich werde Kmiziz zu seiner erfolgreichen Idee gratulieren.«
»Das wird leider nicht möglich sein«, erwiderte Memow.
»Wieso, wo sind sie denn jetzt …« Iwan besann sich. »Ach so. Es hat sie erwischt?«
»Ja. Sie wurden bei dem Angriff getötet.« Memow schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder. »Von den eigenen Leuten. Aus Versehen. Auch Kmiziz war dabei. Er hatte den dritten Trupp angeführt. Ewiges Gedenken.«
Plötzlich fiel es Iwan wie Schuppen von den Augen.
»Die schwarzen Marinejacken.«
»Ja.«
»Der Kmiziz-Plan«, sagte Iwan.
»Ja. Aber er wird als Merkulow-Plan in Erinnerung bleiben. Freu dich, Iwan. Der Sieger hat immer recht.«
Und wie ich mich freue, dachte Iwan bitter. Mir wird direkt schlecht vor lauter Freude.
»Ich … Ich halte es hier nicht mehr aus! Verstehen Sie, Iwan?«
Der Professor tigerte durch die Entwässerungsstation – das ehemalige Chemielabor – und konnte sich überhaupt nicht beruhigen. Auf dem Tisch brannte eine Karbidlampe und verwandelte Wodjaniks Gesicht in die traurige Maske der wissenschaftlichen Tragödie.
Eines Morgens erwachten die Forscher und stellten fest, dass sie die Atombombe erfunden hatten.
»Verstehen Sie das?«
Iwan nickte. Natürlich verstand er.
Der Professor drehte sich um und ging. Müde wankte seine gebeugte Gestalt in die Dunkelheit hinaus.
Verdammt, wenn der sich mal bloß nicht verläuft.
»Kusnezow!«, rief Iwan.
Der Jungspund sprang auf und würgte noch im Gehen einen Bissen herunter.
»Zu Befehl?!«
»Geh ihm nach«, befahl Iwan. »Und pass auf, dass er heil an der Gostinka ankommt. Dann kommst du zurück. Und auf keinen Fall den Weg verlassen, verstanden? Es wäre nicht das erste Mal, dass der Prof sich verirrt.« Iwan überlegte kurz und fügte für alle Fälle hinzu: »Nicht dass ich euch hinterher bei den Kommunisten an der Kuptschino suchen darf.«
Kusnezow
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