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Pittys Blues

Pittys Blues

Titel: Pittys Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Gaebel
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gesehen hatte. Es war am Morgen gewesen, selbst beim Lunch war er nicht im Diner aufgetaucht.
    Mort fing an, sich zu sorgen. Er nuschelte irgendetwas von«mal nachsehen»in Clomels Richtung, der ihm nur kurz zunickte, und marschierte ab.
    Zu Jones’ Haus war es nicht weit, es lag nur hundert Meter entfernt von Dicks Hütte. Auf dem Weg schlenkerte Cassis einmal kurz daran vorbei und warf einen Blick hinein, nicht ohne laut Dicks Namen zu rufen. Aber auch er war wie vom Erdboden verschluckt.
     
    Dick saß mit Pitty in seinem Boot und ruderte mit kräftigen Zügen auf den Fluss hinaus. Er war heilfroh, was zu tun zu haben. Bei jedem Zug, den er in seinen Händen spürte, musste er an die kurze Berührung denken, als er Pitty aufgeholfen hatte. Seine Handfläche kribbelte immer noch, sie fühlte sich an, als hätte er einen Stromschlag bekommen.
    Er hörte erst gar nicht, was Pitty sagte.
    «Was?»
    «Wo ist denn deine Angel?»
    Er schaute sich um. Sie war nicht da. Auch sein Köcher fehlte, und er wusste beim besten Willen nicht mehr, wo er die Sachen am Morgen gelassen hatte.
    «Dann hat sich das Angeln wohl erledigt.»Er begann, das Boot zu wenden.
    «Hättest du etwas dagegen, noch einen Moment hierzubleiben? Einfach nur gucken?»
    Er zog die Ruder an Bord und setzte sich neben Pitty.
Jones kam erst langsam wieder zu sich, als ein kalter Luftzug sein Gesicht streifte.
    «Jones, bist du da?»
    Erst die warme Hand, die seine Schulter berührte, holte ihn zurück in die Gegenwart. Jones zuckte zusammen und fuhr hoch.
    Als habe er unendlich lange geschlafen, blinzelte er mit den Augen, musste sich mit Mühe an das Zwielicht, das in dem Zimmer herrschte, gewöhnen.
    «Jones, du kannst doch nicht den Tag verschlafen. Bist du okay?»
    Jones schüttelte unwirsch die Hand seines unwillkommenen Besuchers ab, die ihm plötzlich schwer auf der Schulter lag. Er stierte vor sich hin, versuchte hastig, die letzten Fetzen Erinnerung festzuhalten.
    «Jones! Komm schon, wir brauchen dich! Bist du okay?»Mort Cassis beugte sich über ihn.
    «Ja! Verdammt! Wie oft willst du das noch fragen? Was machst du überhaupt hier?»
    Jones hatte ihren Duft noch in seiner Nase. Doch zu seinem Bedauern verflüchtigte sich der Hauch ihrer Haut. Ein wenig schmeckte er ihren Geruch noch, er konnte ihn kauen. Aber er war wie Zuckerwatte und verschwand mit einem Biss.
    «Ich wollte dich abholen. Wir brauchen deine Hilfe bei Dicks Pick-up. Pepper weigert sich, mit seinem Kran näher zu kommen, Clomel hat Scott ein paar auf die Mütze gegeben, und der Father will nicht einsehen, dass der Wagen auch dann nicht fährt, wenn er ihn mit seinem Schnaps segnet.»

    «Na, ihr kommt doch hervorragend klar, möchte ich meinen. Jedenfalls klingt das für mich nicht nach Notstand. »
    Aber Jones stand trotzdem auf und streckte sich kurz in alle Richtungen.
    «Dann wollen wir mal.»
    Nun verschwand auch Lillys Gesicht von seinem inneren Auge, aber sie lächelte ihm zum Abschied zu.
    Während Mort und Jones schweigend den Weg hinter sich brachten, dachte Jones an Dick, an Elliot, an Lilly, an Gene, an den Pick-up.
    Und mit jedem Schritt wurde ihm klarer, dass der Zeitpunkt gekommen war, es Dick zu sagen. Das, was er Dick zu sagen hatte. Er suchte nach den richtigen Worten, aber sie waren nicht greifbar, sie glibschten ihm durch die Finger wie Froschlaich. Es fühlte sich an, als habe er einen Riesenhaufen davon in den Händen, und er spürte, wie ihm alles aus der Hand glitt. Er brauchte nur drei, vier Eier, aber wollte er sie greifen, glitten ihm alle durch die Finger.
     
    Als sie auf die Lichtung kamen, war der Pick-up wie eingefroren, und der Schnee hatte sich weiter an den Wagen herangeschoben.
    «Ach nee, da ist er ja wieder, lässt uns schuften, verpisst sich und kommt wieder, wenn alles erledigt ist. Aber kennen wir ja nicht anders.»McClure stemmte die Hände in die Seiten.
    «Scott, halt die Klappe. Der Pick-up ist doch noch an Ort und Stelle, also was für Arbeit meinst du?»

    Zu dem Pick-up und seinem Auftauchen hatte jeder in Rickville seine eigene Erklärung. Ich habe den Pick-up immer als ein Zeichen gesehen, als ein Zeichen, das die Leute an etwas erinnern soll. In Jones’ Fall vielleicht daran, dass auch Kinder erwachsen werden.
    Jones sah in Dick immer noch den kleinen Jungen, dem er den fehlenden Vater ersetzen musste. Jones war da, wenn er sich die Knie aufgeschlagen hatte, wenn es galt, den Grund einer Prügelei zu klären, wenn Fragen

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