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Pittys Blues

Pittys Blues

Titel: Pittys Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Gaebel
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verschwand in Richtung Badezimmer.
    Nach nicht einmal zehn Minuten war er wieder da, seine Haare waren noch nass, kleine Wassertropfen liefen seine Wangen herunter und brachten das Gesicht zum Leuchten. Er hatte einen dicken, grob gestrickten
Wollpullover und eine Wollhose in der Hand.«Pitty, es war gestern schon zu kalt für ein Kleidchen wie deins. Die Sachen sind dir zwar zu groß, aber dafür warm. Magst du sie nicht anziehen?»
    Pitty freute sich über seine Aufmerksamkeit. Sie trug gern Hosen, sie hatte die ihrer Brüder auftragen müssen, bis ihre Mutter die fixe Idee hatte, dass weibliche Kleidung ihre Tochter auch weiblicher wirken ließ. So ließ sich leichter ein Idiot finden, der sie heiraten würde, hatte Jenna-Mae gedacht. Sie hatte Pitty verboten, jemals wieder Hosen zu tragen. Jenna-Mae wollte Pitty so schnell wie möglich loswerden. Aber nur an einen Mann. Sie hätte überhaupt nichts dagegen gehabt, wenn Pitty weg gewesen wäre, aber abhauen, nein, das hätte ihre Fähigkeiten als Mutter infrage gestellt. Und das wäre ein Makel gewesen. Jenna-Mae mochte nur makellose Sachen.
    Pitty nahm Dick die Sachen aus der Hand, verschwand aufgekratzt im Schlafzimmer und fing augenblicklich an, sich das Kleid vom Leib zu reißen. Es konnte ihr nicht schnell genug gehen, bis ihre Beine wieder in Hosenbeinen steckten.
    Achtlos ließ sie ihr eben ausgezogenes Kleid auf dem Boden liegen und kehrte ins Wohnzimmer zurück.«Danke!»
    Dick war verlegen:«Also, wenn ich gewusst hätte, dass man dir mit einer Hose eine Freude machen kann, dann hätte ich sie dir schon viel früher gegeben.»
    «Ja, das wäre schön gewesen, aber früher waren andere Sachen wichtig.»Pitty bot einen reizenden Anblick:
Die Hose schlackerte um ihre schlanken Beine und warf am Bund, den sie in ihrer Taille gegürtet hatte, große Falten. Den Wollpulli hatte sie in die Hose gesteckt, die zu langen Ärmel reichten über ihre Handknöchel, der Kragen lag ungerollt auf und reichte so über ihr Kinn. Ihre Haare hatte sie locker zu einem Zopf geflochten, aus dem einige Strähnen gerutscht waren und ihr ins Gesicht fielen.
    Dick hörte sich selbst sagen:«Wollen wir dann gleich mal los?»
    «Wohin zuerst?»
    «Zum Pick-up.»
    «Ich bin fertig, von mir aus können wir.»
    Sie zogen sich Jacken und Schuhe an und stiefelten aus dem Haus. Dick achtete beim Rausgehen darauf, dass wirklich alle Lichter gelöscht waren, und zog die Tür hinter sich zu.
    Während sie gingen, hing jeder seinen Gedanken nach.
    Dick kratzte sich am Kopf, holte Luft und überwand sich, Pitty anzusehen.«Wen meintest du gestern mit     Pitty, die gerade damit beschäftigt war, sich über die Hose zu freuen und ihre Bewegungen in dem Beinkleid zu beobachten, blieb stehen. Sie zupfte an einzelnen Fäden des rechten Pulloverärmels.
    «Ich habe damals Leute gesehen, am Auto. Aber ich kannte sie nicht, ich erinnere mich nicht genau, ich würde sie vielleicht wiedererkennen, wenn ich sie sehe, aber es war dunkel. Ich bin mir einfach nicht sicher, verstehst du?»

    Dick nickte.
     
    «Ich habe lange keine Hosen mehr tragen dürfen.»
    «Warum nicht?»
    «Meine Mutter wollte es nicht.»
    «Versteh ich nicht.»
    «Ich auch nicht.»
    «Du hast gestern gesagt, die anderen wären bei Elliot gewesen. Ich wüsste gern, wer das war. Ich habe übrigens lange keinen Kaffee mehr gekocht.»
    «Dafür hat er aber gut geschmeckt.»
    «Das meine ich nicht.»
    «Ich weiß.»Sie fassten sich an den Händen.
    «Das Einzige, woran ich mich noch erinnern kann, ist, dass dein Bruder mich ansah.»Pittys Blick war plötzlich auf etwas anderes gerichtet, nicht auf das, was sie umgab. Er wurde leer und gleichzeitig tief und durchdringend. Dick traute sich nicht, sie in ihrer Konzentration zu stören.
    Dann rannte sie los. Sobald Dick begriffen hatte, dass sie nicht mehr neben ihm stand, rannte er ihr hinterher.
    In einiger Entfernung zur Lichtung, an der Dicks Wagen stand, kam sie zum Stehen und sagte:«Komm mit.»Pitty schlich, Dick im Schlepptau, zur Lichtung. Als sie am vergangenen Tag zu Dick gegangen waren, hatten sie einen Bogen um den Platz gemacht, an dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren.
    Pitty stieg mit einer traumwandlerischen Sicherheit vor Dick her, der mal an einer Baumwurzel hängen blieb, mal in einen Karnickelbau trat. Dass der Kerl überhaupt mit heilen Knochen an der Lichtung ankam,
war ein kleines Wunder - auch für ihn selbst. Und das, obwohl er die Gegend seit

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