Pittys Blues
einen Stuhl.
«Dick, geh mal raus und hol mir ein paar Holzscheite, ich finde, dass es hier ein wenig kühl ist, und Moe kommt nicht vor heute Nachmittag.»
«Tulipe, können wir nicht erst einmal...»
«Geh!»
Dick grunzte und ging Brennholz holen, das hinter der Hütte, neben meinem Einstieg, lagerte.
Tulipe setzte sich zu Pitty.«Und nun zu dir, meine Hübsche. Wie geht es dir?»
«Gut?»Pitty war sich auf einmal nicht so sicher, wie sie sich fühlte, sie war nicht darauf vorbereitet, mit Tulipe allein zu sein. Sie war auch nicht auf das vorbereitet, was sie in den Augen dieser Frau sah. Sie setzte sich aufrecht hin und sah sie sich genauer an.
Ein dumpfes Erkennen löste sich aus Pittys Erinnerung, ein Erkennen, das seinen Schleier nicht vollends lüften wollte.
Tulipe beugte sich vor, und Pitty wich zurück, flüsterte:
«Ich kenne dich.»
Tulipes Gesicht wurde fahl.«Das kann nicht sein.»
«Du warst da... Du warst am Pick-up... In der Nacht.»Pitty sah sich um, richtete den Blick auf die Tür und wartete auf Dicks Rückkehr. Er musste sie hier rausholen. Er musste kommen. Sofort!
Aber Dick ließ sich nicht blicken.
Pitty wollte aufstehen, wollte gehen, wollte weg, aber Tulipe war blitzschnell auf den Beinen und griff ihren Arm.
«Pitty!»Tulipe warf einen kurzen Blick zur Tür.«Bitte! Du verstehst da etwas falsch.»Tulipe wusste nicht, wie sie der aufsteigenden Panik Pittys Herr werden konnte.
Pitty konnte nichts sagen, sie sah Tulipe mit weit aufgerissenen Augen an. Und Tulipe merkte, dass sie durch ihren Griff nicht gerade zur Entspannung der Situation beitrug.
Sie ließ Pittys Arm langsam los, vergewisserte sich mit einem Blick, dass Pitty weder schreien noch weglaufen würde, und beruhigte sie mit Worten und erhobenen Händen:«Dick kommt gleich wieder rein. Bitte hab keine Angst. Wie gesagt, du liegst da falsch. Du musst doch keine Angst vor mir haben.»Sie ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen und hielt ihren Kopf fest, presste ihn fast zwischen beiden Händen zusammen.
Pitty versuchte, ihren Sitz zu korrigieren, konnte sich aber nicht rühren. Steif und wortlos saß sie Tulipe gegenüber und starrte auf die Tür, bangte, dass Dick zurückkam und sie erlöste.
Der ließ lange auf sich warten, polterte schließlich entnervt stöhnend durch die Tür und ließ den Stapel Holz, den er auf dem Arm trug, krachend zu Boden gehen.
Die beiden Frauen beobachteten ihn, wie er die Scheite ordentlich neben dem Ofen stapelte, und warteten, dass er seine Aufgabe zu Ende führte.
Erst als er sich zu ihnen an den Tisch setzte, entspannten sich sowohl Tulipes als auch Pittys Gesichtszüge ein wenig. Aufgefordert durch einen Blick Tulipes fragte Dick:
«Und? Wie sieht’s aus?»
Er übersah, wie angestrengt Pitty dasaß, wie sie alle Kraft aufbieten musste, um nicht Hals über Kopf abzuhauen.
Aber als weder von Tulipe noch von Pitty ein Ton kam, fragte er:«Was ist los?»
Tulipe holte tief Luft und fasste Dicks Hand. Ehe sie etwas sagen konnte, sagte Pitty es schon:«Sie war da.»
Dick knickte in der Mitte ein, er verstand nicht, was Pitty sagte, obwohl er sich sehr bemühte und das Gesagte direkt durch seinen Gehörgang in sein Hirn drückte.
«Wo?»Er wusste es, aber die Frage war schneller gestellt als die Antwort gedacht.
Tulipe zögerte:«Beim Pick-up. In jener Nacht.»
Pitty zog sich in sich zurück, sie lauschte. In Tulipes Stimme lag nichts Böses, trotzdem war Pitty vor ihr auf der Hut. Die Begegnung in jener Nacht war noch zu schemenhaft in Pittys Erinnerung. Der Nebel lichtete sich erst nach und nach. Aber Pitty erkannte Tulipe. Sie hatte sie bei einem Toten gesehen.
Sie konzentrierte sich wieder auf das, was Tulipe sagte. Dicks fragender Blick zeigte kein Verstehen. Tulipe setzte erneut an:«Ich denke, sie meint, dass ich bei deinem Pick-up war, nachdem Spider Elliot gefunden hatte.»
Dick sagte nichts, nickte Tulipe mit zusammengeknif fenen Lippen zu, ermunterte sie weiterzusprechen.
«An dem Abend war Gene im Club. Er war außer sich, hatte mal wieder eine Pokerrunde gesprengt... Willst du die lange oder die kurze Geschichte?»
«Ich bin hier, und ich hab Zeit. Und ich will wissen, was war. Also: die lange Version - bitteschön!»
Tulipe nickte. Sie holte das Buch aus dem Regal mit den schicksalhaften Erinnerungen, schlug es auf, und jener Abend und jene Nacht wurden wieder lebendig. Tulipes Blick wurde abwesend, während sie erzählte und die Vergangenheit in den
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