Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
dem unmöglichen Weib die Pest an den Hals gewünscht.
Aber auch den anderen Teilnehmern war es nicht viel besser ergangen. So hatte sich der ›Besen‹ vor allem auf den kroatischstämmigen Diskussionsleiter und seinen leichten Akzent eingeschossen. Die verbalen Attacken fanden ihren Höhepunkt in der Forderung, der Journalist solle wie alle anderen ›miesen Ausländer‹ auch aus Österreich abgeschoben werden. Mit dem daraufhin einsetzenden Wirbel war die Veranstaltung endgültig beendet worden.
Wilma hatte noch gehört, wie Jure Antovic irgendetwas für sie Unverständliches geflucht hatte.
Ein sprachkundiger Vertreter der ›Integrationsplattform‹ hatte sie dann aufgeklärt, dass Antovic ›Der Blitz soll dieses Weib erschlagen oder sonst irgendjemand‹ gesagt haben sollte. Auf Kroatisch, natürlich.
Das war Wilma sprachlich zwar entschieden zu weit gegangen, andererseits konnte sie den Zorn des von Frau Bender-Nicerec mehrfach schwer beleidigten Mannes verstehen.
Sie blickte betreten aus dem Fenster ihres Direktionsbüros im Gymnasium in der Klostergasse. Die Erinnerung an den gestrigen Abend war ihr unangenehm. Irgendwie peinlich, die ganze Geschichte, sogar sehr, dass man sich gegen dominante Typen wie diese Nora so gar nicht behaupten konnte.
Wilma beschloss, die gestrigen Ereignisse ganz einfach zu verdrängen und sich jetzt auf etwas Angenehmes zu konzentrieren.
Wie vielleicht auf … ihre Hochzeit in einigen Tagen.
Na ja, solange ihr nichts Besseres einfiel. Sie lächelte.
*
Palinski war gleich am Morgen wieder ins Kommissariat gepilgert, um mit Franka Wallner den Modus Operandi in diesem Fall mit seiner etwas ungewöhnlichen Konstellation zu besprechen. Immerhin arbeitete er erstmals nicht für die Polizei, sondern für den Verdächtigten.
Er sah darin aber kein Problem, sofern Franka beziehungsweise Inspektor Heidenreich seinem Vorschlag zustimmten, dass er sämtliche Ergebnisse seiner Recherchen auch der Polizei mitteilte und umgekehrt auch alle Informationen von ihr erhielt.
Franka Wallner war einverstanden, denn ›es gibt ohnehin nur eine Wahrheit und der sind wir beide verpflichtet. Und ich kenne dich und vertraue dir.‹
Erfreulicherweise schloss sich auch Heidenreich dieser Einschätzung an, sodass einer Kooperation wie bisher nichts mehr im Wege stand. Außer vielleicht – hm, den Grissly musste er schon noch von den Vorteilen dieses Arrangements für seinen Mandanten überzeugen.
Der Fall selbst versprach reichlich mysteriös zu werden. Oder besser gesagt, er war es eigentlich schon. Schuld daran war die Aussage von Marika Sanders, der Tochter des Opfers.
Kurz nach 23 Uhr sei Lorenzo Bertollini, ein Bekannter, der einen Pizzazustelldienst betrieb und ihren Vater öfter beliefert hatte, erschienen. »Da ich um 23.30 Uhr mit Freunden im Lollipop in der Innenstadt verabredet war, war ich etwas in Eile, habe Lorenzo aber zu meinem Vater geführt, da dieser mit ihm sprechen wollte. In Vaters Zimmer habe ich den beiden Wein eingeschenkt, Lorenzo zehn Euro gegeben und bin dann gegangen.« Als Grund für den Wunsch des Vaters, den Pizzabäcker zu sprechen, vermutete die 21-jährige Marika bestehende Unstimmigkeiten zwischen den beiden. »Vater wollte nicht, dass ich mit einem Ausländer etwas anfange, und hatte wahrscheinlich die Absicht, das Lorenzo ein für alle Mal klarzumachen. Dabei war gar nichts zwischen uns. Mein Gott, wir waren ein-, zweimal aus und haben uns zum Abschied geküsst. Vater muss das gesehen haben, auf jeden Fall hat er mir nach dem zweiten Ausgehen jeden weiteren Kontakt verbieten wollen. Lächerlich, was? In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich?« Sie habe dann die beiden Männer sich selbst überlassen und sei gegangen. Als sie gegen 5 Uhr nach Hause gekommen war, seien die Polizei und der Notarzt anwesend gewesen. Aber leider …
Im Protokoll war an dieser Stelle vermerkt, dass ›die Zeugin zu weinen begonnen‹ hatte.
Palinski, der schon zahlreiche Protokolle gelesen hatte, darunter auch einige mit äußerst widersprüchlichen Aussagen, hatte dermaßen voneinander abweichende Angaben noch nicht erlebt. Es war, als ob sich zwei völlig verschiedene Vorgänge in ein und dasselbe Protokoll verirrt hätten, obwohl zumindest einer der beiden da überhaupt nichts verloren hatte. Ratlos blickte er zu Inspektor Heidenreich, der ihm gegenübersaß.
Der zuckte nur mit den Achseln und meinte: »Damit ist auf jeden Fall klar, dass zumindest eine der
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