Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
dass ihre Darstellung des Vorfalls völlig von der Lorenzos abweicht.«
»Das ist nicht gut«, brummte der Grissly, »das ist gar nicht gut. Es bedeutet aber auch, dass einer von beiden lügt. Nur wer?«
»Na, das ist doch wohl klar«, begehrte Palinski auf. »Oder glaubst du wirklich, dass Lorenzo schuldig sein könnte?« Wieder war sehr viel von einem Vorwurf in seiner Stimme mitgeschwungen. »Gut, du kennst den Burschen nicht«, räumte er ein.
»Als Verteidiger ist es an sich völlig unerheblich, ob ich meinen Mandanten für schuldig halte oder nicht«, stellte der Anwalt fest. »Ich bin in beiden Fällen verpflichtet, mein Bestes zu geben. Obwohl ich zugeben muss, dass mir das ein wenig leichter fällt, wenn ich von seiner Unschuld überzeugt bin.« Dr. Griesbach stand auf. »Gut, dann fahren wir zu deinem Lorenzo. Ich werde mit ihm sprechen, und falls dabei nichts an den Tag kommt, was dagegenspricht, werde ich seine Vertretung übernehmen.«
Palinski fiel ein riesiger Stein vom Herzen. »Das ist wunderbar, ich danke dir. Falls ich irgendwie helfen kann, musst du es nur sagen.«
»Und ob du das kannst«, erwiderte Dr. Griesbach. »Ich gehe eigentlich davon aus, dass du mit deinen Talenten und Möglichkeiten alles unternehmen wirst, was mir den Beweis der Unschuld Lorenzos ermöglicht. Also recherchieren, recherchieren und nochmals recherchieren. Mir beweismäßig zuarbeiten. Du musst mir assistieren wie dieser Privatdetektiv in der Serie ›Ein Fall für zwei‹ dem Anwalt. Wie heißt der bloß gleich? Me…, Mar…, Mahov…?«
»Matula«, sagte Palinski und schluckte, »Josef Matula.« Er blickte an sich hinunter, und seine Augen stolperten dabei über die schon recht beachtlichen Rundungen um seine Taille. Wie sollte er es je schaffen, sich unter dem schließenden Gitter einer Garage gerade noch ins Innere zu rollen? Oder auch nur ein einziges Mal ähnlich spektakuläre Leibesübungen zu absolvieren, wie das Matula ständig tat? Und zwar mehrmals pro Folge. Das würde nie klappen, er würde mit Sicherheit beim ersten Mal zwischen dem Rollgitter und dem Beton stecken bleiben. Oder liegen, mit irgendeinem gebrochenen Glied. Na egal, da musste er trotzdem durch.
Ergeben nickte er mit dem Kopf. »Ist in Ordnung, ich übernehme das Recherchieren.«
Weit hatte er es gebracht, jetzt war er sogar schon zum Matula degradiert.
*
Als grüne Bezirksrätin, die im Hauptberuf eine AHS leitete und dazu selbst unterrichtete, wenn auch nur im Ausmaß von sechs Wochenstunden, war Wilma Bachler natürlich auch im laufenden Wahlkampf engagiert. Nur am Rande und in einem zeitlich überschaubaren Rahmen zwar, aber immerhin. Und das belastete sie mehr, als sie vorher angenommen hatte.
Es war weniger der Zeitaufwand, der ihr zu schaffen machte, als vielmehr diese geistige … Wüste, diese dummen, die Vergesslichkeit der Menschen fest einkalkulierenden Aussagen, die man über sich ergehen lassen musste, diese intellektuelle Sauerstoffunterversorgung.
Und dann erwartete man womöglich auch noch von ihr, derart geistlose, verletzende Statements abzugeben, nur um bei einigen Idioten vordergründig zu punkten.
Dabei konnte politische Auseinandersetzung so spannend, so anregend sein, wenn sie unter gescheiten, kultivierten Menschen guten Willens stattfand und nach gewissen Regeln ablief. Die gestrige Veranstaltung im Festsaal des Bezirksamtes war anfänglich ein ganz gutes Beispiel dafür gewesen.
Zur Diskussion in einer sehr bunten Runde, in der sich neben den Vertretern fast aller Parteien auch die einiger NGOs befunden hatten, war das Thema ›Integration heute und was wir alle täglich dafür tun können‹ gestanden.
Anfänglich hatte sich die in Anbetracht der höchst unterschiedlichen Positionen der Teilnehmer recht sensible Debatte unter der Leitung eines kroatischstämmigen Journalisten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sehr kompetent und diszipliniert entwickelt. Ja, selbst Heinz Cäsar Ehrenhalber, der Chef der FDÖ (Freie Demokraten Österreichs), hatte diesmal darauf verzichtet, Wilma als giftgrüne Märchentante zu apostrophieren, was er bei anderen Gelegenheiten bereits getan hatte.
Je sachlicher und seriöser sich die Veranstaltung entwickelte, desto unzufriedener wurden jene Zuhörer, die sich nicht ganz zu Unrecht etwas mehr ›Äktschn‹, etwa ein fröhliches gegenseitiges Abwatschen der verschiedenen Teilnehmer, erhofft hatten und sich in ihren Erwartungen enttäuscht sahen.
Das war
Weitere Kostenlose Bücher