Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
des Monats, entwickeln sollte, im Ministerium eingetroffen.
Ministerialrat Schneckenburger hatte sich eben über den Eingang von gut zwölf Seiten aus dem Netz genommener Postings gefreut, die zum Thema ›Politischer Mord – ja oder nein?‹ abgegeben worden waren. Der Chefredakteur der großen Onlinezeitung hatte sich nicht lange geziert und die elektronische Übermittlung veranlasst. Allerdings nicht, ohne sich vom Herrn Ministerialrat vorher noch eine bevorzugte Behandlung hinsichtlich der Überlassung von Neuigkeiten zu allfälligen Fahndungserfolgen zusichern zu lassen.
Während er sich gerade seiner Extrawurstsemmel mit Gurkerln widmete – das heutige Tagesgericht in der Kantine, Waldviertler Bauernschmaus, hatte ihm sein Arzt vermiest und auf die gesunde Alternative, Dinkelschmarrn mit Zwetschkenröster, nein danke, darauf konnte er wirklich gut verzichten – betrat seine Sekretärin Helga das Büro.
»Haben Sie schon gehört, Herr Ministerialrat?«, flüsterte die resche Mittfünfzigerin, ganz so, als ob jemand sie belauschen wollte.
»Warum sprechen Sie nicht lauter, Frau Seeliger?«, wunderte er sich. »Wir sind doch unter uns.«
»Na, dann warten Sie einmal, um was es geht«, meinte sie mit einer nur eine Spur lauteren Stimme. »Eigentlich müsste ich ja überhaupt sprachlos sein.« Und dann berichtete sie dem Chef, dass sie von ihrer Freundin im Bundeskanzleramt vor Kurzem erfahren hatte, dass ›unser Herr Minister‹ am frühen Morgen in Brüssel in eine Polizeikontrolle geraten sein soll. Angeblich war er etwas alkoholisiert und hatte keinen Führerschein bei sich.
»Kein Wunder«, beschied Schneckenburger, nichts ahnend, dass das dicke Ende erst kommen sollte. »Kann er bekanntermaßen gar nicht, der Herr Minister hat keinen Führerschein. Aber wozu auch, Hauptsache, der Chauffeur ist nüchtern und hat seinen dabei.«
»Genau das ist es ja«, jetzt flüsterte Helga wieder. »Wie es heißt, soll der Herr Minister selbst am Steuer gesessen sein. Dummerweise hat er kurz vor dem Anhalten einen Polizisten gerammt.«
Was für eine Nachricht. Jetzt erst verstand der Ministerialrat, erahnte die möglichen Konsequenzen dieses Vorfalles. Er konnte das heiß aufsteigende Glücksgefühl noch gar nicht richtig fassen. Sollten seine geheimen Gebete so rasch erhört worden sein und sich der Minister frühzeitig, drei Wochen vor der Wahl, selbst aus dem Spiel genommen haben? Man musste sich das bloß einmal vorstellen, das war für die Opposition wie Weihnachten, Geburtstag und Ostern an einem Tag.
O Gott, wie dumm durfte man eigentlich sein, um in diesem Land trotzdem noch Minister werden zu können? »Na so was, das ist ja schrecklich«, sagte Schneckenburger zu Helga und hatte Mühe, seiner Mitarbeiterin nicht ins Gesicht zu lachen. Als er aber bemerkte, wie die Mundwinkel der Frau verdächtig zuckten, konnte er sich nicht länger beherrschen und brach in schallendes Gelächter aus. In das Frau Seeliger ohne zu zögern einstimmte. Dann flachsten die beiden herum, als ob sie gemeinsam den Kindergarten besucht hätten. Die fröhliche Stimmung wurde jedoch gleich darauf durch das fordernde Klingeln des Festnetzapparates unterbrochen.
»Seeliger, Apparat Dr. Schneckenburger«, meldete sich Helga wieder ganz Profi. »Ja, selbstverständlich, sofort«, sagte sie nur knapp, dann hielt sie dem Ministerialrat den Hörer hin. »Der oberste Boss persönlich«, sie flüsterte wieder und diesmal völlig zu Recht. »Er möchte Sie sprechen.«
*
Franka Wallner hatte noch am Abend zuvor sichergestellt, dass Marikas ständiger Begleiter, Herbert Sandhaber, wohnhaft in der Spitalgasse 9 in Wien, am nächsten Vormittag, sprich heute, zur Befragung vorgeführt werden würde. Es war wirklich höchste Zeit, dass im Fall Wilhelm Sanders endlich etwas weiterging. Um 10 Uhr hatte ihr dann Vera Asbinova alles das erzählt, was sie gestern Palinski beim Branzino über Wilhelm Sanders anvertraut hatte.
Jetzt saß der knapp 23-jährige, stark kurzsichtige Langzeitfreund Marika Sanders der Oberinspektorin gegenüber und blinzelte eingeschüchtert durch seine starken Sehhilfen.
»Gut, Herbert«, Franka Wallner blickte den jungen Mann direkt an, »ich darf doch Herbert zu Ihnen sagen?«
»Nnnatürlich«, Sandhaber stotterte leicht. »Ggganz wie Sssie wollen.«
»Schön, also dann sagen Sie mir einmal, Herbert, Sie lieben Marika doch? Marika Sanders, oder?«
Der junge Mann blickte zu Boden, dann nickte er leicht mit
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