Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
ebenfalls nicht gerade abholde Oberleutnant, »manche Leute laufen eben erst nach ihrem Tod zur Höchstform auf.«
8.
Freitag, 25. Oktober – abends
Die erste Meldung über das nicht gerade vorbildliche Verhalten eines österreichischen Politikers im Ausland war in den 17-Uhr-Nachrichten über den Bildschirm gegangen.
Nach Aussagen einiger Zeugen sollte Dr. Manfred Eislinger das Meeting der Innenminister vorzeitig verlassen haben und mit einer Bekannten nach Blankenberge gefahren sein. Dort war er angeblich in einem privaten Spielklub gesehen worden, wo er, wiederum angeblich, auf hohe Verluste beim Pokern mit heftigen Wutausbrüchen reagiert hatte. Ganz schlimm wurde es aber erst, als Eislinger den ebenfalls betrunkenen Klubmanager hatte verprügeln wollen, weil dieser ihm mit der Bemerkung, ein österreichischer Minister sei für ihn nicht ipso facto kreditwürdig, ein Darlehen in Höhe von 50.000 Euro verweigert hatte.
Wahrscheinlich war es der aufgestaute Frust, der Eislinger daraufhin bewogen hatte, beim Verlassen des Spielklubs das Mercedes-Coupé eines bekannten holländischen Sitcom-Stars vom Parkplatz zu stehlen. Auf der Rückfahrt nach Brüssel hatte der Minister noch den Nerv, einen am Straßenrand winkenden Anhalter mitzunehmen und sich von diesem dafür 20 Euro bezahlen zu lassen. Als er schließlich am Boulevard Jamar von einer Polizeistreife gestoppt worden war, hatte er zunächst einen der Beamten niedergestoßen. Um gleich danach, nach dem etwas mühsamen Verlassen des Autos, dem anderen Beamten direkt auf die vorbildlich geputzten Schuhe zu kotzen.
Kein Wunder also, dass die belgische Polizei derzeit die Nase voll von österreichischen Ministern hatte. Aber wie.
Da Minister Eislinger nicht nur betrunken und ohne Führerschein, sondern auch ohne seinen Dienstausweis unterwegs gewesen war, kam er als bisher einziges österreichisches Regierungsmitglied in den Genuss eines mehr als dreistündigen Aufenthaltes in einer belgischen Arrestzelle.
Glück im Unglück war möglicherweise, dass just zum Zeitpunkt seiner Festnahme ein Pressefotograf vorbeigekommen war, der Eislinger von einem der typischen EU-Gruppenfotos her erkannt und die Polizisten über ihren prominenten Fang informiert hatte.
Pech dabei war wiederum, dass eine peinlich genaue Bilddokumentation der Festnahme samt so degoutanter Details wie der vollgekotzten Schuhe kurz darauf reißenden Absatz bei den nationalen und internationalen Medien fand.
Kein Wunder, dass das selbst dem sehr viel Kummer gewohnten Bundeskanzler Dr. Waidling so gar nicht gefallen wollte. Ein Wahnsinn, so etwas drei Wochen vor den Wahlen. Und überhaupt.
Waidling war ja wirklich nicht kleinlich, solange seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bloß das elfte Gebot nicht verletzten. Das da lautete: ›Du sollst dich nicht erwischen lassen.‹
Das Einzige, was jetzt angesagt war, war massive Schadensbegrenzung. Zum Wohle der Partei, aber auch generell. Also ebenfalls zum Wohle des Landes.
Das war im Wesentlichen die Lage, die Ministerialrat Dr. Michael Schneckenburger antraf, als er exakt um 17.30 Uhr ins Büro des Regierungschefs geführt wurde. Etwas weich in den Knien, denn er war noch nie zuvor in diesen heiligen Hallen gewesen und hatte keine Ahnung, was der Obermacher eigentlich von ihm wollte.
Zu seinem Minister gratulieren, das sicher nicht.
*
Palinski hatte eben mit seinem Freund Anselm Wiegele gesprochen, der ihn aus der Gegend von Amstetten angerufen hatte. Der Hauptkommissar aus Singen und seine Frau Marianne waren der ausländische Aufputz für den heutigen Polterabend, vor allem aber sehr gute Freunde.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es kurz vor 18 Uhr war. Das bedeutete, dass die beiden unter normalen Umständen gegen 20 Uhr hier im 19. Bezirk sein konnten. Also gerade rechtzeitig, um bis 20.30 Uhr, dem Zeitpunkt, zu welchem die Gäste zum Zimmermann geladen waren, beim Heurigen einzulangen. Und falls sie sich wirklich etwas verspäten sollten, gab es genug zu trinken, um den Gästen das Warten angenehm zu gestalten.
Palinski überlegte, wie er die Zeit bis zum Eintreffen seiner deutschen Freunde nutzen sollte. Als Erstes versuchte er, Franka endlich zu erreichen. Er hatte sich untertags mehrmals um den Kontakt bemüht, aber die Oberinspektorin bisher nicht erreicht. Entweder war sie noch oder gerade wieder irgendwo unterwegs.
Und, wie konnte es auch anders sein, wenn man einen negativen Lauf hatte, auch dieser
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