Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
nicht, dass ich ihn sehe. Und Marika hat ihn kurz angestarrt und einen Moment lang ausgesehen, als ob ihr ein leibhaftiges Gespenst über den Weg gelaufen sei.« Jetzt war Alfredo ganz aufgeregt. »Ich sage dir, Mario, die beiden haben sich gekannt, der Mann wollte an Marikas Tisch kommen. Er wollte aber nicht, dass ich ihn sehe. Und Marika wollte das auch nicht. Darum sind sie und Herbert dann auch gleich gegangen.«
Das war natürlich nicht uninteressant, fand Palinski. War das der unbekannte Dritte oder vielleicht sogar ein ebenso unbekannter Vierter? »Schade, dass wir nicht wissen, wer dieser Mann ist, der sich am Klo versteckt hat.«
»Aber ich habe ihn erkannt!«, Alfredo begehrte fast auf. »Das ist doch der eigentliche Grund, warum ich mit dir sprechen wollte. Bei dem Mann hat es sich um Gabriel Fuarsi, den ›Wiener Pizzakönig‹ gehandelt. Er besitzt zwölf Lokale in der Stadt und hasst Lorenzo. Glaube ich zumindest.«
Der Name Fuarsi sagte Palinski nichts, vom ›Wiener Pizzakönig‹, dessen kleine paradeissugoroten Lieferautos das Stadtbild bekleckerten, hatte er natürlich schon gehört.
»Und was bedeutet das deiner Meinung nach?«, Palinski war richtig animiert, das waren endlich einmal echte Neuigkeiten.
»Fuarsi ist von Anfang an stinksauer auf Lorenzo gewesen, weil unsere Qualität weit besser ist als sein vorgefertigter Mist«, Alfredo hatte das ›unsere‹ voll Stolz betont. »Vor allem aber hat er in den letzten Monaten mehr als die Hälfte seiner früheren Zustellkunden in Hernals, Währing, Döbling und der Brigittenau an Mamma Marias Pasta- und Pizza-Premium-Service verloren. Und ein Ende dieser für den Pizzakönig traurigen Entwicklung ist nicht abzusehen.«
Langsam begann sich ein Hauch von Motiv im Sanders-Fall abzuzeichnen, auch wenn Palinski die Zusammenhänge insgesamt noch nicht ganz verstand. Vor allem aber war er heilfroh, dass sich Alfredos Rolle in der Geschichte letztlich als relativ harmlos zu erweisen schien und er wahrscheinlich darum herumkommen würde, mit den Bertollinis darüber sprechen zu müssen.
Gut, der Bursche war in Versuchung geraten und hatte gefehlt. Aber sein offenes Einbekennen konnte, ja, musste man als tätige Reue werten. Und genau das wollte Palinski auch tun.
Aber Alfredo war noch gar nicht fertig mit seinen Geständnissen: »Zunächst hat Fuarsi versucht, Lorenzo eine Beteiligung einzureden. Wollte ihn mit viel Geld locken.« Er lachte. »Aber du kennst ihn ja. Auf dem Ohr ist mein Bruder absolut taub. Als Nächstes wollte er ihn mit Superkonditionen, Spezialpreisen und Riesenrabatten aushungern, aber …«, Alfredo grinste verschmitzt, »das ist völlig in die Hose gegangen. Den Leuten waren die paar Cents, die Fuarsis Zeugs billiger war, egal. Sie wollten Bertollinis Qualität und waren auch bereit, etwas mehr dafür zu bezahlen.« Man konnte den Stolz auf seinen Bruder förmlich hören. Palinski nahm sich vor, sobald wie möglich mit Lorenzo zu sprechen. Für ein derart motiviertes Familienmitglied musste es in dem Unternehmen bestimmt eine bessere Position geben als die eines Servicechefs …
»Dann kam Marika Sanders ins Spiel«, erinnerte sich Alfredo. »Lockte mich zunächst mit 5.000 Euro und dann mit dem zweiten Geschäftsführer. Gleichzeitig wurde versucht, Lorenzo Schwierigkeiten zu machen. Ja, ihn wirtschaftlich überhaupt aus dem Weg zu räumen. Falls man ihn des Mordes an Sanders schuldig spricht, geht er doch für mehrere Jahre in den Knast, oder?«
Damit hätte sich Fuarsis Problem ganz von selbst erledigt. Wahrscheinlich könnte er sich dann den Pasta- und Pizza-Premium-Service für ein Butterbrot unter den Nagel reißen.
Genau, dachte Palinski, das musste das Motiv sein. Oder zumindest ein wichtiger Teil davon.
»Ich glaube, ich weiß, was du meinst«, versicherte er Alfredo. »Bloß, was für ein Interesse hat Marika Sanders daran, ihren Vater umbringen zu lassen und Lorenzo damit in Schwierigkeiten zu bringen? Sie erfindet doch keinen Oskar Bassini und spielt das ganze Theater nur, um Fuarsis Probleme damit zu lösen? Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.« Er kratzte sich an der Nase. »Der Typ, der das rein aus Liebe macht, ist sie auch nicht. Also, was bezweckt Marika Sanders eigentlich damit?«
*
Kurz vor 13 Uhr waren die ersten, noch bruchstückhaften Meldungen über das, was sich in den frühen Morgenstunden in Brüssel abgespielt hat und schnell zur politischen Sensation des Tages, das heißt
Weitere Kostenlose Bücher