Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
Vom Netzwerk:
sein, dass Seyha und er geheiratet hatten und in die Stadt gezogen waren. Bill hatte Ray lange genug gekannt, um ihn zu vermissen. Er war ein netter, ruhiger Mann gewesen. Die Umstände erklärten den Ausdruck in Joyces Augen. Hinter ihr leuchtete der kleine, grüne Rasen in der Morgensonne, die an einem blauen, klaren Himmel hing.
    Nichts von alledem war real.
    »Grünes Gras, blauer Himmel«, sagte die Stimme seufzend, fast wehmütig. Vor Bill streckte Albert Fitts die Hand Joyce entgegen. Alle bewegten sich in Zeitlupe, immer langsamer, bis die Zeit gänzlich stehen blieb.
    Die Stimme fuhr fort. »Nimm den blauen Himmel in dir auf, Billy, atme die saubere Luft in die Lungen ein, lobe deinen Herrn für den Tag, den er dir schenkt.«
    Merkwürdige Worte für einen Dämon , wollte er sagen, dann zuckte er geistig zusammen und scheute sich einzugestehen, wofür er diese Kreatur immer mehr hielt. Rings um ihn bewegte sich niemand. Alberts Rechte hielt jene der Geistlichen, während seine andere Hand im Ansatz zu dem ihm eigenen Schulterklopfen erstarrt war. Auf der Straße hatten Autos auf dem Weg an der Kirche vorbei innegehalten. Nein , begriff Bill. Nicht innegehalten . Sie bewegten sich noch, aber unendlich langsam.
    Hinter ihm setzte die Stimme in grüblerischem Tonfall ihre Gedankengänge fort. »Dein Leben hat immer aus blauem Himmel und grünem Gras bestanden. Wie ist dein Leben jetzt, hm? Wer ist dein Leben?«
    Im Namen des Herrn befehle ich dir ...
    »Schau mal nach rechts, Billy.«
    Bill drehte den Kopf. Anscheinend hatte er vorläufig die Kontrolle über seinen Körper zurückerhalten. Nichts in diesen Albträumen vermochte noch, ihn zu überraschen. Er fürchtete die Möglichkeit, dass der Besitzer der Stimme neben ihm stehen und ihn so grotesk angrinsen könnte, wie Gem Davidson es so unbeholfen beschrieben hatte. Stattdessen befanden sich zu seiner Rechten einige erstarrte Gemeindemitglieder – und Seyha. Sie stand im hinteren Vorraum, hatte offenbar auf ihn gewartet. War sie ... ja, sie war unten gewesen, bei –
    »Bei den Kindern«, beendete die Stimme seinen Gedanken. Bill hielt es für unmöglich, dass sie sich noch näher anhören könnte. Sie schien schwerelos auf seiner Schulter zu kauern und ihre Lippen an sein Ohr zu pressen. Bill schauderte, spürte, wie der Körper reagierte, in dem er weilte, sein eigener Körper oder das Phantom, dem er glich.
    »Und ...«, fuhr die Stimme fort und setzte dramatisch ab, ehe sie hinzufügte: »Action!«
    Die Menschen erwachten zum Leben. Seyha geriet außer Sicht, als Bill über die Türschwelle schritt. Joyce ergriff lächelnd seine Hand.
    »Bill«, sagte sie. »Waa-Woo-Waa-Waa, Woo.«
    Bill gab ähnliches Kauderwelsch zurück und ging weiter. Er trat beiseite und wartete, bis sich Seyha aus der Menge löste. Sie tauchte wenige Sekunden später auf, drängte sich an Hank und Phyllis Cowles vorbei, die sich zu langsam für sie bewegten. Das betagte Paar musste ausweichen, als sie hektisch aus der Kirche stürmte. Sie begrüßte Joyce nicht, befreite sich nur aus der Masse der Leute und lief an Bill vorbei auf den Gehsteig.
    Halb rannte er, um sie einzuholen, halb versuchte er, sich zu bremsen, doch er war wieder nur ein machtloser Beobachter. Als der Bill jener Zeit redete, ertönten seine Worte verständlich, wenngleich sie falsch klangen, als würden sie unter Wasser gesprochen.
    »Geht es dir gut?«
    Seyha versuchte zu lächeln, doch die Miene verkam zu dem üblichen, neutralen Blick, den sie in der Öffentlichkeit häufig zur Schau stellte. »Ja. Tut mir leid, dass ich nach der Predigt nicht mit den Kindern nach oben gekommen bin. Es gab so viel aufzuräumen und zu verstauen.«
    Bill spürte, wie sie sich bei ihm einhakte. »Wieso hast du es so eilig?«
    »Hab ich nicht. Ich will nur ... nach Hause.«
    Als sie das zwei Häuser weiter am Straßenrand parkende Auto erreichten, öffnete er die Tür. Sie wirkte angespannt, bewegte sich ruckartig und steif.
    »Waren die Kinder heute außer Rand und Band?«
    Seine Worte, die in jener Welt der Vergangenheit gesprochen wurden, erfüllten ihn mit einer eigenartigen Mischung aus Verwirrung und Hoffnung. Kinder? Andere Erinnerungen an Augenblicke ähnlich diesem kehrten zu ihm zurück. Wie er zuvor vermutet hatte, war dies ein früher Zeitpunkt ihrer Ehe. Er hatte sie beide für die Mitarbeit bei der Kinderliturgie angemeldet – einer vereinfachten Version desselben Gottesdienstes, der oben abgehalten wurde,

Weitere Kostenlose Bücher