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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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frustriert in ihrem Einkaufswagen. Die Jungen waren noch so klein, dass beide in den Sitz passten. Ihre pummeligen Beinchen passten jeweils durch ein einziges Loch. Sie traten und wehrten sich gegen den Gurt. Ihre Mutter wirkte abgehärmt, während sie den Inhalt eines Regals einige Schritte entfernt betrachtete.
    Bill lächelte. Einer der Knaben beruhigte sich, sah seinen Bruder an, erblickte die über dessen Wangen strömenden Tränen – und begann selbst wieder zu weinen wie ein Backgroundsänger für das Konzert seines Bruders.
    Seyha trat zur Seite, schaute auf die Einkaufsliste und bewegte sich in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    »Was ist mit Frühstücksflocken?«, hörte sich Bill fragen.
    »Hol du sie«, erwiderte Seyha, ohne ihn anzusehen oder innezuhalten. »Ich habe etwas vergessen.«
    Bill spürte, wie er mit den Schultern zuckte und den Wagen weiter den Gang hinabschob. Die Zwillinge beschlossen offenbar, dass sich nähernde Fremde interessanter als das war, was sie zum Heulen gebracht hatte, und hörten zu weinen auf. Bill grüßte sie im Vorbeigehen, wodurch sich beide Gesichter vor Freude aufhellten.
    Er erinnerte sich beinah an diesen Augenblick.
    Nein, das stimmte nicht. Dieser Augenblick erschien ihm lediglich vertraut . Seyha schickte ihn oft alleine einen Gang entlang, während sie zurückging, um etwas zu holen, was sie vergessen hatte, oder sich in den nächsten Gang begab. Und immer, nachdem sie einen Gang betreten hatten.
    Er beobachtete sich dabei, wie er eine Packung ergriff und herumdrehte, um den Anteil an Ballaststoffen zu überprüfen. Seine Brust hob sich zu einem Seufzen, dann landete die Schachtel im Einkaufswagen.
    Das ist nicht richtig , dachte Bill. Dinge wie Ballaststoffe in der Ernährung – Anordnung des Arztes – hatten erst in den letzten Monaten Einzug in sein Leben gehalten. Dieser Einkauf hingegen hatte sich nicht erst kürzlich zugetragen. An die Zwillinge hätte er sich erinnert. Bill erinnerte sich immer an Kinder.
    Er versuchte, sich aufzuhalten, brauchte Zeit zum Nachdenken, doch der Körper, in dem er steckte, setzte den Weg durch den Gang fort und bog nach links, um zu jenem zurückzukehren, den sie bereits besucht hatten. Seyha hielt sich dort auf und studierte das Kaffeeangebot.
    »Wir haben Kaffee«, sagte sein anderes Ich.
    Halt! , wollte er brüllen. Das ist nicht richtig. Lass mich kurz überlegen!
    Seyha errötete und zuckte mit den Schultern. »Tatsächlich? Tut mir leid. Ich bin heute etwas durcheinander.«
    Woran hatte sie gedacht? Bills Gedankengang, der ihm fast sofort wieder entglitt, nachdem er im Frühstücksgang entstanden war, glich einem Gewirr von unzusammenhängenden Fakten. Warum wurde ihm das hier gezeigt? Seyhas plötzlicher Wechsel in einen anderen Gang war nichts Neues, wäre für sie überhaupt nichts Ungewöhnliches gewesen, wenn nicht ... wenn nicht was?
    Das grölende Gelächter schwoll an und verstummte. Als sich Seyha zu ihm gesellte, wendete er den Einkaufswagen. Sie ließen den Frühstücksgang hinter sich und steuerten auf die Getränkeabteilung zu.
    Die Zwillinge hatten geweint.
    Und? Seyha hatte keine Angst vor Kindern. Eines Tages würden sie selbst welche haben.
    Über die steten Geräusche der anderen, über den Supermarkt verteilten Kunden und die kaum hörbare Hintergrundmusik schwoll das Gelächter des Dämons erneut an, fegte an Bill vorbei, wendete an der Fleischabteilung hinter ihnen und bereitete sich für eine neue Runde vor.
    Seyha blieb erneut stehen. Vor ihnen befanden sich zwei weitere Einkaufswagen. In jedem saß ein Kind. Beine baumelten herab, aus Augen strömten Tränen, die Münder standen offen, und sie weinten und weinten.
    Abrupt drehte sich Seyha um. Bill spürte, wie sein Körper den Wagen abermals wendete, doch er schaute weiter zu den Kindern. Es fühlte sich wie eine Handlung seines wahren Ichs an, nicht wie eine jenes ferngesteuerten Körpers. Letzterer jedoch ging weiter. Er drehte sich um und sah, wie Seyha am gegenüberliegenden Ende des Ganges außer Sicht geriet. Bill folgte ihr. Sein Herz – sein eigenes – raste. Er war nervös. Schließlich erblickte er eines ihrer Beine, das unter dem Schild mit der Aufschrift Schreibwaren, Bücher, Zeitschriften verschwand. Bevor er das Gefährt in jene Richtung lenken konnte, ergriff ein Mädchen, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, die Hand seiner Mutter und lehnte sich gegen die Fleischtheke. Die Kleine schniefte, dann begann sie aus

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