Planlos ins Glueck
reisen. Aber Lori war ja auch ihr ganzes Leben lang ein braves Mädchen gewesen. Sie hatte schon längst bewiesen, dass sie verantwortungsbewusst und anständig war. Auf diese Art von Vergangenheit konnte Jane sich leider nicht berufen. Also musste sie so tun, als würde sie gerne deprimierende Bücher lesen, wärmstens empfohlen von gebildeten Frauen mit seriösen Ehemännern.
Noch ein Stückchen Fassade, das dazu beitrug, dass Jane sich in ihrer Haut nicht mehr richtig wohlfühlte.
Lori stupste sie an. „Ich hab noch eine ganze Kiste voll mit Schmuddelgeschichten. Und da steht dein Name drauf.“
Dasselbe Angebot hatte Lori ihr vor einigen Wochen schon einmal gemacht, und Jane hatte rundheraus abgelehnt. Jetzt aber dachte sie ernsthaft darüber nach anzunehmen. Vielleicht waren die Sexgeschichten ja gar keine so schlechte Möglichkeit, ein bisschen Dampf abzulassen? Gestern Abend hatte sie sichdabei ertappt, wie sie ihrem Boxlehrer lüsterne Blicke zuwarf – und Tom war durch und durch schwul. Trotzdem hatten seine Schultern sie an Chase erinnert.
„Und? Willst du sie vielleicht doch?“, fragte Lori mit einem unverschämten Grinsen. Aber dann wanderte ihr Blick an Jane vorbei, und aus dem Grinsen wurde ein strahlendes Lächeln. „Hey, Quinn.“
Quinn Jennings ließ sich auf dem Barhocker neben seiner Freundin nieder. „Hey, Lori Love“, antwortete er. Der Klang seiner tiefen Stimme erinnerte an ein zufriedenes Schnurren.
Fast wäre Jane rot geworden. Hier war er: der lebende Beweis, dass auch ein guter, intelligenter Mann sprühende Leidenschaft entwickeln konnte, wenn er nur der richtigen Frau begegnete. Sicherheit musste nicht zwingend ein Leben in immerwährender Langeweile bedeuten. Sicherheit ließ sich auch mit Lust und Leidenschaft verbinden, so wie bei Lori und Mr Jennings. Wobei Männer wie Mr Jennings leider nicht Janes Typ waren. Genauso wenig wie Greg. Oder der Zahnarzt vor Greg. Oder der Tierarzt vor dem Zahnarzt.
„Hi, Jane“, sagte Quinn. „Kommen Sie gleich mit?“
Lori nahm seine Hand. „Nein, sie will hierbleiben und sich hemmungslos betrinken.“
Die beiden brachen in schallendes Gelächter aus, vermutlich, weil sie sich Jane nicht einmal mit einem kleinen Schwips vorstellen konnten. Was deutlich zeigte, dass sie keine Ahnung hatten.
Quinn murmelte irgendetwas von wegen „Mein Beitrag zum guten Zweck“ und warf einen Zehn-Dollar-Schein auf den Tresen. Dann rief er dem Barkeeper zu: „Noch einen Drink für die Lady!“
„Oh nein, Mr Jennings, ich kann doch nicht …“
Aber er zog Lori schon vom Stuhl hoch und Richtung Ausgang. „Wir sehen uns Montag, Jane. Und immer sauber bleiben!“
Da der nächste Drink bereits vor ihr stand, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn auszutrinken. Eine Viertelstunde später hielt sie plötzlich die Visitenkarte von Chase in der Hand. Immerhin hatte er eine Visitenkarte. Vielleicht konnte er also doch mehr, als nur im Dreck herumzuwühlen. Vielleicht war er ja so was wie ein Aufseher für andere Leute, die im Dreck herumwühlten. „W. Chase“, stand da. Sein Vorname war garantiert total schrecklich. Worthington vielleicht oder Wessex.
Einfach nur Chase, sagte er immer. So als fände er es unerträglich, ein Mister zu sein. Und er hatte recht: Der Mister passte überhaupt nicht zu ihm.
Als Jane aufsah, begegnete sie zufällig dem Blick von einem Typen, der zwei Stühle weiter saß. Als er lächelnd aufstand und auf sie zukam, musste sie ein frustriertes Stöhnen unterdrücken. Sie war heute wirklich nicht in der Stimmung. Jedenfalls nicht für solche Typen.
„Hi“, sagte er. „Ich bin Dan.“
„Hi, Dan.“ Ihren eigenen Namen verriet Jane nicht. Eigentlich war dieser Dan ja ganz süß, und er trug Anzug und Krawatte. Aber er war nun mal nicht ihr Typ. Keiner von denen war ihr Typ. Sie war einfach ein hoffnungsloser Fall.
„Wohnen Sie hier in Aspen?“, fragte er.
„M-hm.“
„Ich bin nur beruflich hier. Eine wunderschöne Gegend, wirklich.“
„Ja, es ist sehr hübsch hier.“ Gott, was wollte er überhaupt von ihr? Sie trug ein elfenbeinfarbenes Kostüm und ihre Brille, und ihre Haare waren zu einem strengen Dutt hochgesteckt. Sie musste stockkonservativ wirken. Andererseits: Vielleicht sah sie ja auch so einsam und verzweifelt aus, dass dieser Dan glaubte, er könne sie problemlos flachlegen.
Er lehnte sich an die Bar. „Darf ich Sie auf einen Drink einladen?“
„Nein danke, ich warte auf jemanden.“
Das
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