Planlos ins Glueck
Stuhl zusammen. „Mist!“
Was war da nur gerade passiert?
Trotz der Szene beim Lunch mit Greg und dem Telefonat mit ihrer Mutter war der Tag in normalen, professionellen Bahnen weiterverlaufen. Eine Menge Anrufe von Handwerkern, die gedämpfte Geräuschkulisse eines gut durchorganisierten Büros an einem Durchschnittstag … die Trennung von Greg war nicht mehr als ein kleiner Stolperstein gewesen.
Aber dann war er ins Büro geplatzt.
Allein der Anblick, wie er dastand und einfach so den ganzen Türrahmen ausfüllte, hatte sie bis ins Mark erschüttert. Er war kein Bodybuildertyp, aber beeindruckend muskulöse eins neunzig groß, wenn nicht sogar mehr. Sein braunes Haar war raspelkurz geschnitten und so dicht, dass es sich bestimmt ganz weich anfühlte.
Bei dem bloßen Gedanken lief es Jane heiß und kalt den Rücken herunter.
Läppische drei Stunden Freiheit, und schon dachte sie an einen Mann, wie er unpassender nicht hätte sein können. Sie hätte sich wirklich nicht von Greg trennen sollen. Greg war gebildet, ambitioniert und wohlerzogen. Und vor allem war er nicht riesengroßund breit und tätowiert. Er fuhr auch keinen verbeulten, staubigen Truck. Er arbeitete nicht gegen Stundenlohn in einer perspektivlosen Branche und trug auch keine Stiefel mit Stahlkappen oder schmuddelige T-Shirts, die sich an seine Muskeln schmiegten, während er den Vorschlaghammer schwang und Berge in die Luft sprengte.
Ihre Haut begann zu prickeln. „Mist“, wiederholte Jane. Dieser Chase war genau der Typ Mann, den sie absolut nicht gebrauchen konnte. Der Typ Mann, der ihre Haut zum Prickeln brachte – ganz zu schweigen von ein paar anderen Körperregionen, an die sie gerade gar nicht denken mochte. Nein, er war absolut nicht das, was sie brauchte. Aber das, was sie wollte. Rau und maskulin und groß.
„Ich will nicht werden wie meine Mutter“, versicherte sie dem Bildschirm. „Ich will nicht werden wie meine Mutter.“ Der Bildschirm erwiderte ihren Blick so streng, dass sie wegsehen musste. „Ach, leck mich doch“, fauchte sie den Monitor an, dann sah sie sich schuldbewusst um. Derart unflätige Ausdrücke gehörten nun wirklich nicht zu ihrem Wortschatz.
Und sie ging auch nicht mit Männern aus, um deren Oberarme sich dicke schwarze Tätowierungen schlängelten wie bei einem grausamen Krieger aus archaischen Zeiten.
Jane ließ ihre Schultern kreisen und dehnte ihren Nacken. „Ich will nicht werden wie meine Mutter“, wiederholte sie ein letztes Mal. „Und das Mädchen von früher werde ich auch nicht wieder.“ Dann löschte sie das Buchstabenchaos, das sie auf ihrem Excel-Sheet hinterlassen hatte, und zwang sich mit Gewalt dazu, sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren.
2. KAPITEL
A ls Jane am nächsten Morgen aus ihrem Auto stieg, zitterten ihre Muskeln noch immer vor Erschöpfung. Am Abend zuvor war sie viel zu aufgeregt und abgelenkt gewesen, um ihrem Plan treu zu bleiben. Anstatt nach Hause zu fahren und einen Film anzugucken, hatten sie ihren Trainer angerufen und eine Stunde lang den Sandsack in seinem privaten Fitnessraum bearbeitet. Dann hatte sie eine komplette Pizza verschlungen, bis Mitternacht Fernsehen geguckt und prompt verschlafen.
Jane schloss die Bürotür auf und hastete nach drinnen, wo sie sich auf ihren Stuhl fallen ließ. Fünfzehn Minuten Verspätung. Sie steckte mitten drin in der Spirale. Und zwar abwärts.
Eine Nacht lang Single, und schon bewegte sich Jane Morgan auf ihren persönlichen Tiefpunkt zu. Ihre Fassade bröckelte wie die schmelzenden Schneeberge draußen auf dem Parkplatz.
Es spielte überhaupt keine Rolle, dass sie sich bemühte, stets professionell gekleidet zu sein, oder dass sie sich spröder gab als eine alte Bibliothekarin. Es spielte keine Rolle, dass sie sich weigerte, den schmierigen Handwerkern und grapschenden Bauunternehmern und sexistischen Ingenieuren auch nur einen Funken Freundlichkeit entgegenzubringen. Oder dass sie sehr, sehr akribisch darauf achtete, nur angemessene Männer zu daten. Die Wahrheit lautete: Sie hatte sich überhaupt nicht verändert.
Jane fühlte sich immer noch von genau denselben Typen angezogen, für die sie schon zu Highschoolzeiten geschwärmt hatte: tätowiert, ungehobelt und allzeit bereit.
„Verdammt“, stöhnte sie verzweifelt. In der Nacht hatte sie einen ausgesprochen erotischen Traum gehabt, mit Chase in der Hauptrolle. Dieser Traum hatte sie so dermaßen heißgemacht, wie es Greg in der Realität nicht mal
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