Plasma City
angekleidet, bevor das Beben vorbei ist. Aiah steht schweigend und benommen da, schnappt nach Luft und kämpft gegen das Schwindelgefühl an.
»Ich muss die Fabrik überprüfen«, sagt Constantine. »Jemand muss dich nach Hause bringen …«
»Ich muss zur Behörde«, sagt Aiah. »Vergiss nicht, dass ich zum Katastrophenschutz gehöre.«
Er nickt. »Fahr du mit Khoriak …« Damit ist er draußen und stürmt durch das hektische Getriebe im vorderen Zimmer, noch während er einen Arm durch einen Hemdsärmel schiebt.
■ ■ ■
Es ist ein mittelschweres Erdbeben, das in Jaspeer nicht mehr als etwa 15 000 Verletzte und 1100 Todesopfer fordert. Die meisten Menschen sterben unter den Gerüsten, die sich in ärmeren Vierteln von den Gebäuden lösen. Einige Brücken und Tunnel brechen zusammen. Im Erdgeschoss einer Lebensmittelfabrik platzt ein Rohstofftank und tötet zwölf Arbeiter mit einer Sintflut aus Krill. Ein paar ältere Gebäude werden zerstört, viele neuere gehen in Flammen auf. Eingestürzt ist auch ein nagelneues und sehr beliebtes Wohngebäude. Eine Untersuchungskommission soll klären, ob und wenn ja von wem die Bauinspektoren bestochen wurden.
Aiah wird eingeteilt, um Brüche in den Plasmaleitungen zu finden und zu reparieren. Die nächsten zwölf Stunden verbringt sie zum größten Teil unter Tage. Sie läuft durch dunkle Versorgungsschächte, die vom tanzenden Licht ihres Helmscheinwerfers erhellt werden. Alte Gänge aus Ziegelsteinen und Beton, die nach aufgewirbeltem Staub riechen. Ihr ist immer noch schwindlig, die Gänge scheinen schief und verzerrt, albtraumhaft. Sie kümmert sich mehr schlecht als recht um die Arbeit und hat ständig Angst, ein Funke könnte eine Staubexplosion auslösen oder ein Nachbeben könnte sie und ihre Leute lebendig begraben oder den Tunnel mit Wasser überfluten.
Wenigstens, denkt sie, wenigstens wandert Rohders Anima jetzt nicht mehr am Terminal herum. Er hat sicher anderswo zu tun und ist vermutlich damit beschäftigt, in den Trümmern der eingestürzten Gebäude Überlebende aufzuspüren.
Nach zwölf Stunden Suche darf Aiah nach Hause gehen. Abgesehen von einem zerbrochenen Spiegel in der Lobby scheinen die Loeno Towers unverändert, auch das Apartment ist noch so, wie sie es hinterlassen hat. Das reparierte Kommunikationsgerät hat einen Anruf von Gil registriert, der um ihre Sicherheit besorgt war. Nachdem sie es eine geschlagene Stunde versucht hat – die Leitungen sind überlastet –, gelingt es ihr, ihm eine kurze Nachricht zu schicken, dass ihr nichts passiert sei.
Die Energie vom Plasma, das sie im Hotel genossen hat, ist längst verflogen. Aiah duscht, lässt sich ins Bett fallen und wird um 18.00 Uhr aufgeschreckt, als der Türsteher meldet, ihr Wagen sei da.
Sie zieht sich rasch etwas an, wäscht sich das Gesicht und kämmt sich im Aufzug auf dem Weg nach unten das Haar. Khoriak sitzt gelassen in einer Ecke der Lobby und liest eine Zeitschrift. Er führt sie zum Geldan und fädelt gleich darauf den kleinen Wagen in den Feierabendverkehr ein. Nach dem Erdbeben ist die Luft voller Reklame für Versicherungsgesellschaften.
»In der Fabrik ist ein Teil der Abschirmung heruntergebrochen«, erklärt Khoriak. »Aber das müsste innerhalb von vierundzwanzig Stunden zu reparieren sein. Es wurde niemand verletzt.«
»Wohin bringen Sie mich?«
»Zur Fabrik. Alle anderen sind schon dort.«
»Gab es große Schäden am Terminal?«
»Kaum, soweit ich es gesehen habe.«
Er hat Recht, es gab wirklich kaum Schäden. Der Terminal war offenbar weit genug vom Epizentrum des Erdbebens entfernt und hier sind keine Gerüste heruntergebrochen. Außer ein paar kaputten Fenstern und umgekippten Regalen hat es hier kaum Schäden gegeben.
Ein Reparaturtrupp ist bereits am Bronzekollektor beschäftigt. Die riesigen Akkumulatoren stehen glänzend in Reih und Glied und spiegeln die Funken, die in goldenen Wasserfällen von den Schweißbrennern rieseln. Constantine und Sorya sehen im Kreis ihres Gefolges zu. Als der Wagen in die Halle fährt, kommt Constantine herüber und hält Aiah die Tür auf. Die anderen folgen ihm. Constantine lächelt. Sorya hat sich in einen altmodischen, militärisch geschnittenen grünen Mantel mit Messingknöpfen gewickelt. Eine spitze Kappe sitzt schräg über düsteren, verkniffenen Augen.
»Unsere Leute im Landmark haben etwas Nützliches herausgefunden«, sagt Constantine, als Aiah aussteigt.
»Als das Erdbeben geschah, haben zwei
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