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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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Die Schwester hatte nicht lange gebraucht, um die richtigen Größen zu finden. Cam schob den Gedanken beiseite, dass die Kleidung höchstwahrscheinlich von Toten stammte. Er wollte die Soldaten auf keinen Fall kränken.
    Cam stützte sich auf einen der jungen Männer, als sie das Zelt verließen. Ruth hing halb ohnmächtig in den Armen der anderen. Draußen wartete eine Frau im letzten Abendlicht, eine blonde Frau mit beinahe aggressiv vorgeschobenem Kinn. Aus ihrer Haarfülle und dem glatten Gesicht schloss Cam, dass sie Anfang dreißig sein musste. Auch sonst hatte sie Ähnlichkeit mit Ruth. Sie war schön, trug aber das gleiche Army-Grün wie alle unter einem weißen Laborkittel. Es war dieser Kittel, der Cam verunsicherte. Gehörte sie etwa zu Shaugs Nanotech-Team?
    Verschwinde einfach, dachte er.
    Die Frau stellte sich ihnen breitbeinig in den Weg. An ihrem Hemdkragen waren schwarze, nicht reflektierende Streifen zu sehen, und der Anführer ihres Trupps sagte: »Verzeihung, Captain …«
    Sie würdigte ihn jedoch keines Blickes. »Ruth?«, fragte sie. »Ruth, mein Gott!« Ihre glatte Hand berührte schnell und geschickt Ruths Schulter.
    »Lassen Sie uns bitte durch«, sagte Cam.
    »Ich kenne sie«, beharrte die Frau.
    Er hätte sie zur Seite geschoben, aber Ruth löste sich lächelnd von den Soldaten und tat einen schwankenden Schritt auf die Frau zu. Sie fiel ihr um den Hals und vergrub ihr Gesicht in den langen Haaren der Fremden. »Deborah!«, sagte sie.
    Der Wind nahm zu, als das orangerote Licht verblasste, aber Ruth klammerte sich weiterhin ebenso hartnäckig an die Freundin, wie sie sich geweigert hatte, von Cam getrennt zu werden.
    »Bitte, Ma’am«, sagte der Vorgesetzte der Soldaten wieder.
    »Kann man unser Abendessen nicht einfach hierher bringen?«, fragte Ruth. Sie saß zwischen Cam und Deborah auf der bloßen, von Kettenfahrzeugen zerfurchten Erde, im Schutz des Lazarettzelts, wo sie den Wind nicht so stark spürten, aber die Berge im Westen betrachten konnten.
    »Ma’am«, wiederholte der Mann, doch Deborah sagte: »Nun machen Sie schon, Sergeant! Schicken Sie einen Ihrer Jungs los! Der Rest kann ja bleiben und die paar Minuten aufpassen, dass ihr nichts zustößt.«
    »Mein Befehl lautet, sie nach drinnen zu bringen, Captain.«
    »Ich mag die frische Luft«, meinte Ruth geistesabwesend.
    Cam machte sich Sorgen, dass die Flut der Ereignisse sie verwirrt haben könnte, während Deborah in ihrer leicht arroganten Art wiederholte: »Nun machen Sie schon, Sergeant! Die paar Minuten!«
    Der Gruppenführer deutete mit dem Daumen auf einen seiner Männer. Der Soldat entfernte sich. Andere Leute kamen vorbei, zwei Ärzte, zwei Mechaniker und ein Teenager in Zivilklamotten.
    »Was kann ich tun?«, fragte Deborah leise. »Geht es Ihnen einigermaßen gut?«
    »Ich friere«, entgegnete Ruth und starrte weiter zum Horizont.
    An ihr vorbei wechselte Deborah einen besorgten Blick mit Cam, und er hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass auch sie sich miteinander anfreunden könnten – obwohl ihm das Ganze ein wenig merkwürdig vorkam. Wenn er sich recht erinnerte, waren die beiden Frauen bis zu diesem Wiedersehen Feindinnen gewesen.
    Deborah Reece, Ärztin mit zwei Doktorgraden und Spezialistin für Supportsysteme, hatte auf der Internationalen Raumstation gearbeitet. Alle Astronauten an Bord hatten zwei oder mehr Aufgabenbereiche betreut. Deb war eine beeindruckende Frau, aber das Beeindruckendste an ihr war, dass Ruth sie zuletzt in Leadville gesehen hatte. Irgendwie hatte Deborah es geschafft, die Stadt vor dem Atomschlag zu verlassen. Aber Cam hielt den Mund und beobachtete das Kommen und Gehen der Leute, bis Ruth sich schließlich schüttelte und aus ihrer Erstarrung erwachte.
    »Deb, was tun Sie hier?«, fragte sie. »Ich dachte, Grand Lake sei ein Rebellenstützpunkt.«
    »Das ist jetzt nicht so wichtig. Was war mit Ihrer Suche? Hatten Sie Erfolg?«
    »Ja. Ja, das kann man sagen.« Ruth legte ihre gesunde Hand mit leichtem Druck auf Cams Knie, ohne ihn dabei anzusehen.
    Deborah bemerkte die Berührung. Wieder wechselte sie hinter Ruths Rücken einen Blick mit Cam. Er versuchte zu lächeln. »Wir müssen alles über diesen Ort wissen«, sagte er.
    »Ich werde Sie aufklären, so gut ich kann.« Aber die meiste Zeit sprach Deborah über Leadville. Cam erkannte, dass sie das Geschehene erst noch verarbeiten musste. »Bill Wallace ist tot«, sagte sie zu Ruth. »Gustavo auch. Ulinow. Das gesamte

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