Plasma
Laborteam.«
Nikola Ulinow hatte für die Russen vierhunderttausend Menschen geopfert und lediglich eine Person verschont. Unter Einsatz all seiner früheren Autorität hatte er Deborah gedrängt, sich freiwillig an die Front zu melden. Als Ärztin, so hatte er argumentiert, werde sie dort dringender gebraucht als in Leadville, wo sich nur die Politiker von ihr verhätscheln ließen.
»Es war eine Warnung«, erklärte Deborah. »Mehr konnte er nicht tun. Wenn er geflohen wäre … wenn unser ganzes Team verschwunden wäre, dann hätten sich die Machthaber von Leadville ihren Reim darauf gemacht. Sie hätten die Maschine mit der Bombe an Bord abgeschossen.«
Cam ließ sie reden und beobachtete die feinen Falten, die sich um ihre Augen und Mundwinkel bildeten, während sie mit ihren Gefühlen kämpfte.
»Wenn ich mir vorstelle, wie er gewartet hat«, fuhr Deborah fort. »Wenn ich mir vorstelle, wie er gewartet hat, obwohl er genau wusste, was geschehen würde …« Sie lehnte sich mit einem Seufzer an Ruth. Ihre Augen blitzten zornig, aber zugleich kämpfte sie gegen die Tränen an.
»Ist ja gut«, sagte Ruth. »Schsch, ist ja gut.«
Cam runzelte die Stirn und wandte sich ab, um wieder zu den Bergen hinüberzuspähen. Er dachte über die Entschlossenheit dieses Mannes nach, der sich dieser gewaltigen Detonation bewusst ausgesetzt hatte. Cam hatte Tapferkeit und Niedertracht in allen Spielarten erlebt. Manchmal waren sie ein und dasselbe. Der einzige Unterschied bestand darin, auf welcher Seite man stand. Und genau das bereitete Cam Unbehagen. Er glaubte an das, was er tat, aber vielleicht war sein Handeln auch falsch.
Er hustete heftig in die hohle Hand. Dann berührte er Deborahs Finger, als wolle er sie trösten, und infizierte sie mit dem Impfstoff. »Tut mir leid«, sagte er.
Grand Lake hatte sich in den Untergrund begeben. Viele der Wohnanhänger und Hütten verbargen Tunneleingänge. Auf dem Rückweg vom Lazarettzelt sah Cam eine frisch ausgehobene Grube, über die man riesige Tarnnetze gespannt hatte. Die Arbeiten ruhten zwar für den Rest des Tages, doch es sah so aus, als werde an einem Ende noch Erdreich weggeschaufelt, während man entlang der übrigen Kanten begonnen hatte, Holzverschalungen für Betonwände zu errichten. Cam vermutete, man werde später Betondecken gießen und eine Bodenschicht darüberbreiten, um den Bunker unsichtbar zu machen und zu isolieren. Das war verschwendete Mühe.
Ihr könnt jetzt alle die Todeszone betreten, dachte er. Ihr werdet euch nicht mit Pest-Nanos infizieren, wenn ihr diesen Berg verlasst.
Deshalb legte Shaug wohl auch so großen Wert darauf, die Kontrolle zu behalten. Wenn zu viele Menschen die Flucht ergriffen, verlor er seine Streitmacht. Ein Massenexodus von der Continental Divide herab konnte ebenfalls zu einem Desaster führen, denn ohne organisiertes Militär waren sie gegen die Russen vermutlich hilflos.
Vielleicht hatte der Gouverneur recht.
Cam spürte einen neuen Adrenalinschub, als der Anführer der Soldaten sie zu einem sonnenverblichenen Wohncontainer brachte, dessen Eingang sich unter einer Behelfsmarkise aus Zeltleinwand verbarg. Deborah war umgekehrt, nachdem sie Ruth versprochen hatte, vor dem nächsten Frühstück noch einmal vorbeizuschauen, und Cam war froh, dass wenigstens sie wusste, wo man sie finden konnte. Was sollten sie tun, wenn Shaug die Absicht hegte, sie einzusperren?
Er war unbewaffnet und seiner Eskorte deutlich unterlegen. Auf einen Wink des Anführers ging er durch die Tür. Das Innere des Containers war mehr als dürftig ausgestattet, ohne Möbel und ohne Teppichboden. Die meisten Wandpaneele hatte man herausgerissen, um leichter an die Kabel und Leitungen zu kommen – und vermutlich auch, weil man Feuerholz brauchte. Es gab nur zwei Leuchtkörper. Aus der Kochnische hatte man sämtliche Schränke, die Spüle und die Arbeitsplatten entfernt. Mitten in dieser bizarren Kulisse stand eine Asiatin mit sehr kurz geschnittenem Haar und einer Zigarette in der Hand. Der alte Wohncontainer diente lediglich dazu, den Treppenschacht und die Lüftungsöffnungen zu tarnen.
Cam zögerte am oberen Absatz der dunklen Treppe. »Ich muss unbedingt mit Shaug sprechen«, sagte er. Er konnte an gar nichts anderes denken.
»Wir bringen Sie morgen Vormittag zu ihm, Sir«, erklärte der Anführer der Soldaten.
Ruth wechselte einen Blick mit Cam, aber der Lärm von unten klang nicht unbedingt nach Gefängnis, und die Frau mit der Zigarette
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