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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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war?
    »Bringen wir Sie nach drinnen«, sagte Shaug. Er streckte Ruth eine der Pfirsichdosen entgegen. »Oder möchten Sie vorher eine Kleinigkeit zu sich nehmen? Ich sehe ja, dass Sie völlig erschöpft sind.«
    »Ich verstehe das nicht«, protestierte sie, aber sie war keineswegs so naiv und hilflos, wie sie tat. Sie versuchte Zeit zu gewinnen.
    Shaug machte sich nicht die Mühe, ihr zu antworten. »Räumen Sie das da weg«, befahl er den restlichen Sanitätern und deutete auf die Ausrüstung. Dann warf er einen Blick auf Ruth, als sei ihm jetzt erst wieder eingefallen, dass sie noch da war. »Wir bringen Sie nach drinnen«, wiederholte er und sah einen anderen Mann an.
    Es war der Offizier, der Newcombe am Flugzeug zurückgehalten hatte. Ein Colonel. »Gehen wir«, sagte er, und Cam beobachtete, wie die Menge eine Gasse freigab, als Uniformierte vortraten und Luces Agenten in Zivilkleidung zurückblieben. Hatte Luce wirklich geglaubt, er könnte den Gouverneur durch sein Eingreifen überlisten?
    Ruth dient als Schachfigur in einem politischen Machtspiel, dachte er. Shaug wollte sie und den Impfstoff als Druckmittel benutzen, um von den übrigen Amerikanern und den Kanadiern Garantien zu erzwingen. Schließlich hatte Grand Lake sie gerettet, als niemand sonst ihr helfen konnte. Aber sein Plan stiftete Unfrieden. Deshalb war Luce als Erster zum Flugzeug gestürmt. Er hoffte, die Impf-Nanos unter die Leute zu bringen, ehe sie durch irgendeine Katastrophe vernichtet wurden, eine zweite Bombe etwa oder einen Angriff der Russen.
    Cam wünschte von ganzem Herzen, dass ihm damit Erfolg beschieden war, und vielleicht hatte Luce auch genau das beabsichtigt – einen Verbündeten zu gewinnen. Shaug konnte den Impfstoff vermutlich nicht unter Kontrolle halten, was auch immer er täte. Er und die beiden anderen atmeten schon jetzt Spuren davon aus. Sobald sie duschten oder auf die Toilette gingen, würden sich die Nanobots im Wasser und in den Latrinen befinden. Und ihre mit Blut, Hautpartikeln und Schweiß behafteten Jacken mussten von Impfpartikeln geradezu wimmeln. Wenn sie nur Bescheid wüssten, könnten Luce und seine Leute die Jacken in Stücke schneiden und das Material auf sämtliche Jets verteilen. Sie könnten sogar winzige Fitzelchen des schmutzigen Gewebes schlucken und sich dann zu Fuß unterhalb der Todesgrenze begeben.
    Cam sprach diese Gedanken nicht laut aus. Es gab noch eine andere Möglichkeit. Er hustete, hielt sich die Hand vor den Mund und spuckte dabei unauffällig aus.
    »Gibt es eigentlich Nachricht von Captain Young, Sir?«, fragte Newcombe. Der Colonel runzelte nur die Stirn. »Mein Vorgesetzter in Sacramento«, fügte Newcombe hinzu. »Er und ein anderer Mann wandten sich nach Süden.«
    »Keine Ahnung, mein Junge.«
    »Wir beobachteten am 23. Mai ein Gefecht westlich der Sierra und dachten, die beiden könnte es erwischt haben.«
    Cam schlenderte an den Soldaten vorbei, nahm Blickkontakt zu Luce auf und hielt ihm die Hand hin. »Danke«, sagte er.
    »Schon gut«, entgegnete Luce verwundert, streckte aber den Arm aus, und Cam vollendete die Geste. Seine feuchte Handfläche berührte die trockene Haut des Geheimdienstlers. Einen Augenblick lang wirkte Luce verunsichert, doch dann nickte er.
    Es war geschafft. Der Impfstoff würde in Grand Lake seine Runde machen.
    Ein Soldat mit Sonnenbrand an Ohren und Wangen nahm Ruths Marschgepäck. Cam würde dieses Gesicht mit den blauen Augen nie mehr vergessen.
    »Wir haben ein kleines Labor«, sagte Shaug. »Und ein paar Leute, die das Material noch heute Abend sichten werden. Morgen können Sie ihnen helfen.«
    »Ja.« Ruth nickte, aber ihr Mund war grimmig zusammen – gepresst, und Cam konnte ihre Gefühle verstehen, als der Soldat kehrtmachte und sie verließ. Sie hatten diesen ramponierten grünen Rucksack Hunderte von Meilen mitgeschleppt – und nun gehörte er ihnen plötzlich nicht mehr.
    Newcombe verschwand mit dem Colonel. Eine hartnäckige Krankenschwester versuchte Cam und Ruth zu trennen, als sie das kleine, überfüllte Lazarettzelt betraten, wo die Kranken – zum Großteil Soldaten – in mehreren Reihen stöhnend auf Decken, Pritschen und der blanken Erde lagen. Obwohl die Seitenwände des Zeltes hochgerollt waren, erfüllte ein fauliger Gestank die Luft. Magen-Darm-Grippe. Aber an dieser Stelle befand sich das einzige Röntgengerät von Grand Lake.
    »Wer hier nicht unbedingt etwas zu suchen hat, sollte dieses Zelt besser meiden«, sagte

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