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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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als Menschen in die Lücke zwischen ihm und Ruth drängten.
    Es war schwer loszulassen. Acht Wochen Elend und Verzweiflung hatten sie zusammengeschweißt, doch nun war genau das erreicht, wofür sie gekämpft hatten – die Chance, den Impfstoff an andere weiterzugeben. Cam sagte sich, dass er froh sein konnte. Es war vorbei. Sie hatten gesiegt. Grand Lake besaß genügend Leute und Flugzeuge, um die Impf-Nanos zu verbreiten – und Ruth zu schützen.
    »Einen Augenblick.« Sie löste sich von Luce. In ihre Wangen war etwas Farbe zurückgekehrt, aber ihr Gesichtsausdruck wirkte verängstigt.
    »Sie braucht ärztliche Betreuung«, rief Newcombe.
    »Das brauchen sie alle«, setzte der Pilot hinzu. »Gönnt ihnen erst mal eine Pause.«
    »Wir haben Ärzte, und Sie können ausruhen, sobald Sie etwas gegessen haben«, versicherte Luce. »Aber nun kommen Sie erst einmal mit!«
    Cam ließ sich gar nicht erst auf Diskussionen ein. Seine Rolle hatte sich in dem Augenblick geändert, da sie an Bord der Cessna gegangen waren. Die Macht, die er so lange ausgeübt hatte, war hier ohne jede Bedeutung, und dann wusste er nicht genug über diesen Ort, um abschätzen zu können, ob er noch zu ihrem Leben gehörte oder nicht. Aber sie mochte ihn. Das war genug. Er hatte einen Arm um Ruths schmale Taille gelegt und stützte sie, während sie in den Schatten unter den Tarnnetzen eintauchten. Gouverneur Shaug kam mit ausgestreckten Händen auf sie zu.
    Der Gouverneur war Mitte sechzig, klein und mit schütterem Haar. Und er war der älteste Mensch, den Cam seit sechzehn Monaten zu Gesicht bekommen hatte. In Kalifornien hatte der endlose Stress am schnellsten die Kinder sowie die Männer und Frauen mittleren Alters getötet. Shaug war ein weiterer Hinweis dafür, wie anders sich die Dinge hier entwickelt hatten.
    Sein Lächeln verriet echte Wärme. »Wir danken Gott für alles, was Sie getan haben«, sagte Shaug. »Bitte – nehmen Sie doch Platz!« Er deutete auf eine Reihe von Stahlbänken und -tischen, die in einer Ecke der von Netzen überschatteten Fläche aufgestellt waren. Auf einem der Tische standen Flaschen mit Mineralwasser und Coca-Cola, dazu vier Dosen mit Pfirsichscheiben. Ein kleines Festmahl.
    Cam nickte. »Danke.«
    »Wir würden Ihnen gern sofort Blut abnehmen«, meinte Luce und winkte die Militärärzte zu sich. »Bitte.«
    Bitte. Aus seinem Mund klang das Wort spannungsgeladen. Cam legte seinen Arm enger um Ruth und ihren schmutzigen Rucksack und beobachtete dabei den Gouverneur, um zu sehen, ob er eingreifen würde. Er hatte geglaubt, die Ärzte hätten sich hier versammelt, um Ruth zu helfen. Das Ganze kam ihm wie ein Betrug vor. Aber Ruth nickte nur und sagte: »Ja, natürlich.«
    Richard Shaug, der frühere Gouverneur von Wisconsin, hatte wie so viele Überlebende seine Heimat verlassen müssen. Er war nominell der ranghöchste Mann in Grand Lake, obwohl Cam den leisen Verdacht hegte, dass Shaug und Luce gegeneinander arbeiteten. Dass in der Führungsschicht Gruppen mit unterschiedlichen Zielen am Werk waren, verstand sich von selbst. Jeder Tag brachte vermutlich ein neues Kräftemessen. Konnte er das für seine eigenen Zwecke nutzen? Welcher der Männer besaß die wahre Macht? Cam tippte auf den Geheimdienst-Agenten. Er glaubte, dass sich Luce am ehesten mit dem Militär verbündet hatte, und ihm war aufgefallen, wie die Panzerfahrzeuge und Barrikaden diese Behelfsstadt unterteilten.
    Doch er täuschte sich. Die Sanitäter zapften Ruth, Newcombe und ihm jeweils vier schmale Ampullen Blut ab. Die zwölf Kunststoffröhrchen wurden in vier Ständer verteilt, und Luce befahl: »Bringt drei davon zu den Flugzeugen!«
    Shaug hob eine Hand. »Nein.«
    »Gouverneur …«
    »Nein. Noch nicht.«
    »Wir müssen die Impf-Nanos an so viele Menschen wie möglich verteilen. Zumindest könnten wir die Behälter nach Salmon River bringen«, sagte Luce.
    »Was ist hier los?«, erkundigte sich Ruth. Ihr Gesicht wirkte durchsichtiger denn je. Ihre Vene hatte nicht einmal dreißig Kubikzentimeter Blut hergegeben, ehe ihr schlecht wurde. Aber ihre wachen Augen blitzten zornig.
    Zwei der Sanitäter hasteten mit den Blutproben los, ohne ihren Gerätewagen und die Instrumente mitzunehmen. Ein Trupp Soldaten bahnte ihnen einen Weg durch die Menge. Sie hielten auf das Labyrinth der Unterkünfte und nicht auf die Startbahn zu. Cams Blick wanderte zu den Nadeln und Schläuchen und dann zu Luce. Wusste der Mann, wie wenig Blut nötig

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