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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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die Schwester.
    »Er bleibt bei mir«, beharrte Ruth.
    »Wir wollen doch nur rasch einen Blick auf …«
    »Er bleibt bei mir.«
    Die Krankenschwester beriet sich mit drei Ärzten, ehe sie das Röntgengerät einschaltete, das nur mit ein paar Decken vom übrigen Raum abgetrennt war. Das Zelt war an das Stromnetz von Grand Lake angeschlossen, das in der Tiefe des Flussbetts von Turbinen gespeist wurde, aber die Energiezufuhr auf ihrer Leitung war schwach und konnte nicht mehr als zwei oder drei Geräte gleichzeitig mit Strom versorgen.
    Während der Film entwickelt wurde, führte man Cam und Ruth zu einem zweiten Zelt, wo sie Antibiotika erhielten. Ruth holte noch rasch etwas aus ihrer Hosentasche, ehe ein Mann ihre verdreckten Sachen wegbrachte. Einen Stein. Sie versuchte ihn zu verstecken, aber Cam erkannte die in den Granit geritzten Zeichen.
    »Meine Güte, Ruth, wie lange hast du diesen …«
    »Bitte.« Sie sah ihn nicht an. »Bitte, Cam, ich will keine spöttischen Bemerkungen hören.«
    Er nickte langsam. Der Stein war offensichtlich ungefährlich, sonst wären sie schon vor Wochen krank geworden. Aber weshalb musstest du unbedingt etwas aus dieser verlassenen Siedlung mitschleppen?, überlegte er. Vielleicht wusste sie es selbst nicht so recht. »Ist ja gut«, sagte er.
    Man schrubbte sie mit Wasser, Seife und Schwämmen, bis ihre Haut brannte, und rieb sie anschließend mit Alkohol ab. Dann wurden ihre zahlreichen Verletzungen behandelt, genäht und verpflastert. Ruth hatte kein Problem mit ihrer Nacktheit, obwohl sich ein halbes Dutzend Fremde in ihrer Nähe befanden. Cam wandte ihr den Rücken zu, weil er Angst hatte, sie anzustarren.
    Das Sanitäterteam trug Stoffmasken und Handschuhe aus Gummi oder Latex. Sie bekamen mit ziemlicher Sicherheit einige der Nanobots ab. Cam hustete und hustete, um möglichst viele Leute in seiner Umgebung zu infizieren. Die Impf-Nanos würden sich in ihren Körpern nicht vermehren, da es hier keine Pest-Nanos gab, die sie angreifen konnten, aber er wollte die winzigen Maschinen verbreiten, so gut es ging.
    Ein Mann mit Brille kam herein und sah sich suchend um. »Goldman? Ihr gebrochener Arm ist recht gut verheilt, aber ich rate Ihnen, zur Schonung noch mindestens drei Wochen eine Schiene zu tragen.«
    Sie schnitten die ramponierte Fiberglas-Manschette auf. Ruth sog beim Anblick ihres Arms scharf die Luft ein. Die Haut war runzlig und albinofahl, die Muskeln hatten sich zurückgebildet. Eingeschlossener Schweiß hatte das Gewebe aufquellen lassen und an manchen Stellen entzündet. Sie weinte. Sie weinte, und Cam wusste, dass die Tränen nicht ihrem Arm galten, zumindest nicht nur ihrem Arm, sondern dass sie endlich all das Entsetzen, das sie bis jetzt unterdrückt hatte, aus sich herausspülen konnte.
    Cam drängte sich durch die Fremden und umarmte sie. Sie trugen beide nichts außer einem dünnen Krankenhauskittel. Ruths gründlich gewaschenes Haar ringelte und bauschte sich, und Cam beugte sich dicht über ihren Scheitel und genoss den frischen Duft.
    Der Glücksmoment währte jedoch nicht lange. Cam und Ruth hatten bereits ein Vermögen an Arzneien erhalten, und nun weigerten sich die Mediziner, ihr ein Schmerzmittel zu verabreichen, bevor sie ihren Arm säuberten. »Das ist nur oberflächlich«, erklärte der Chirurg. Er schabte an der schwammigen Haut herum und betupfte die Wunden mit Jod, während Ruth laut aufschrie und ihren kleinen Stein umklammerte.
    »Wir müssen schlafen«, sagte Cam. »Essen und schlafen. Bitte.«
    »Natürlich. Der Rest lässt sich auch morgen erledigen.« Der Arzt, der gerade Cams linke Hand untersuchte, stach in das Narbengewebe, drehte sich jedoch um und gab einer Schwester einen Wink, worauf diese den engen Raum verließ.
    Ruth hatte sich zitternd hingelegt. Ihr Arm steckte in einem schwarzen, mit Metallstreben versteiften Netzverband, obwohl der Arzt ihr empfohlen hatte, das schützende Gewebe so oft wie möglich abzunehmen, damit die Wunden atmen konnten.
    Die Krankenschwester kam mit vier Soldaten zurück. Cam erkannte einen der Männer, die sie bei der Landung in Empfang genommen hatten. Er hatte Mühe, das Misstrauen und die Abwehr, die in ihm aufstiegen, zu verbergen. Seine Reaktion kam zu rasch und war fehl am Platz. »Können Sie ihr helfen?«, fragte er.
    »Jawohl, Sir«, erwiderte der Anführer des Trupps. »Ma’am? Ma’am, wir tragen Sie, okay?«
    Cam und Ruth bekamen Hemden und Hosen in Army-Grün – gebraucht, aber sauber.

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