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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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Nischen-Evolution, die sich ihnen hier darbot. Er hatte den Eindruck, dass die Überreste des Ökosystems weiter auseinanderdrifteten, anstatt sich neu zu verflechten, aber er war zu müde, um darüber nachzudenken, wie das Ganze eines Tages enden mochte.
    Die Suche in Richtung Osten erwies sich als Zeitverschwendung. Nach vierzig Minuten konnten Cam und Newcombe den fraglichen Teil der Küste endlich durch Feldstecher beobachten. Was sie sahen, war ein unpassierbarer Schlammhang, durchzogen von Dutzenden schmaler Rinnsale. Damit stand ihr Weg fest. Sie mussten nach Norden.
    Sorgfältig wählte Newcombe eine Stunde später eine Stelle zum Verlassen des Bootes aus. Sie jagten den Champion in den engen Sumpf unter einem massiven Autobahnkreuz, der sich hervorragend als Versteck eignete. Newcombe löste die Motorabdeckung und schüttete gemeinsam mit Cam mehr als dreißig Feldflaschen Wasser auf das heiße Metall. Es wäre Leichtsinn gewesen, ein weithin erkennbares Wärmesignal im Küstenbereich zu hinterlassen, das ihren Feinden verriet, welchen Weg sie genommen hatten. Cam schätzte, dass sie mit dem Boot knapp doppelt so schnell vorangekommen waren wie zu Fuß, aber noch wichtiger erschien ihm, dass Ruth so oft wie möglich eine Gelegenheit zum Ausruhen erhielt. Sie hatte sich im Bug des Bootes gegen einen Stapel Taue gelehnt und eine Weile völlig abgeschaltet.
    Es wurde Zeit, dass er unter vier Augen mit ihr besprach, was sie von ihm erwartete.
    Die Gelegenheit dazu hätte sich beinahe ergeben. Sobald sie zu dritt einen Zaun überstiegen und sich wieder in Richtung der Interstate begeben hatten, warf Newcombe einen Blick auf seine Uhr und hielt an. Er kniete sich neben seinen Rucksack und begann den Inhalt umzuschichten. An der Außenseite waren Netztaschen befestigt, in denen er eines ihrer kleinen Funkgeräte, sein Fernglas und eine Plastikspritzflasche mit Benzin verstaut hatte. Nun packte er das Funkgerät und das Fernglas weg und ersetzte sie durch Behälter mit Ahornsirup. Allem Anschein nach traf er Vorbereitungen, allein loszuziehen und weitere Futterfallen zu errichten.
    Cam unterbrach ihn bei seiner Arbeit. »Stopp!«
    »Ich hole euch locker ein.«
    »Darum geht es nicht.« Cam bemerkte, dass Ruths Blicke zwischen ihnen hin und her wanderten. Sie hatte sich ein wenig aufgerichtet, sobald ihr klar wurde, was Newcombe beabsichtigte. Aber nun sackten ihre Schultern wieder nach vorn, ihre Miene wirkte angespannt.
    Cam tat sie leid. Er hätte sie gern beruhigt, aber das hier war wichtiger. »Wir können keine Köder auf dieser Seite der Bucht aufstellen«, sagte er. »Zumindest nicht sofort. Überlegen Sie doch! Im Stadtzentrum konnten die Schwärme kein Muster bilden, weil die Fallen einigermaßen gleichmäßig verteilt waren. Wenn die Beobachter in Leadville jedoch feststellen, dass die Insekten nach Norden abwandern, wird ihnen rasch klar sein, dass wir dahinterstecken.«
    Newcombe starrte ihn an. »Okay.«
    »Kommen Sie«, sagte Cam zu Ruth und berührte sanft ihren gesunden Arm. Ihre Blicke ruhten kurz auf seiner Hand, ehe sie den Kopf hob und ihn aufmerksam musterte. Er nickte einmal. Ein deutlicheres Signal konnte er ihr nicht geben, da die Maske und die Schutzbrille seine Züge verbargen.
    Sie marschierten zu Fuß weiter. Sie marschierten zu Fuß, und mit jeder Minute fiel ihnen das schwerer. Der Stress und die Müdigkeitsgifte machten sie phlegmatisch, und die Eintönigkeit des Weges wirkte auf eigene Weise. Autos ohne Ende. Tote ohne Ende. Newcombe entdeckte als Erster die vereinzelten Dunstschleier im Westen. Cam hoffte, dass sich der Himmel zuzöge. Eine geschlossene Wolkendecke bot einigermaßen Schutz gegen Satelliten und Flugzeuge. Ein Absinken der Temperatur würde zudem die Insekten verlangsamen. Und sie selbst vor dem Schwitzen und der damit verbundenen Austrocknung bewahren.
    Es war kurz vor Mittag, ehe sie untertauchten, viel später, als sie geplant hatten. Endlich fanden sie einen breiten, trockenen Kanal, der unter dem Highway durchführte. Fünf Minuten später hörten sie in einiger Entfernung eine Explosion, die sich wie ein Überschallknall anhörte.
    »Nein, bitte nicht«, murmelte Ruth und hob den Kopf von ihrem provisorischen Schlaflager.
    »Glauben Sie, dass die uns irgendwie markiert haben?«, fragte Cam den Sergeant. Newcombe zuckte nur die Achseln. Sie starrten stumm aus der Kanalöffnung. Cam bestand darauf, dass Ruth so viel Wasser trank, wie ihr Magen nur fassen konnte.

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