Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
Vom Netzwerk:
beiden Seiten. Sie hatten die Absicht, geradewegs in die Bucht zu steuern. Der Dodge war ein Riesenmonster, und Newcombe glaubte, dass der Motor frühestens dann absterben würde, wenn das Wasser tief genug war, um den Champion direkt abzusetzen. Er wollte nicht riskieren, dass sie mit dem Boot an einem Hindernis hängen blieben, wenn sie es am Ufer abluden.
    Dann pflügte der Pick-up durch das Treibgut und schrammte über irgendetwas Größeres hinweg. Der Anhänger kippte zur Seite, das Boot geriet ins Rutschen und hätte sich um ein Haar losgerissen. Sie hatten bereits die Stricke gelöst, die den Champion zusätzlich sicherten, um keine Zeit zu verlieren, falls ihn eine Woge ins Meer spülte. Nun erschien ihnen diese Vorsichtsmaßnahme idiotisch.
    Aber sie funktionierte. Newcombe hielt das Steuer fest, und der Pick-up legte sich noch stärker zur Seite. Der Motor stotterte. Der Champion löste sich und trieb ein paar Meter im Wasser. Rund um das Boot herum schwammen verkohlte, mit Wasser vollgesogene Holzbalken.
    Newcombe schaltete den Motor aus. Er stieg aus dem Dodge und watete vorsichtig näher, nass und verdreckt, während sie trocken geblieben waren. Cam half ihm in das schaukelnde Boot und meinte: »Gute Arbeit, Mann, echt gute Arbeit.«
    »Das wäre fast schiefgegangen.« Es war alles, was Newcombe sagte. Dennoch sah Cam eine Chance, ihr gutes Verhältnis wieder zu festigen, nachdem Ruth mit ihrem Misstrauen einen Keil zwischen sie getrieben hatte. Er konnte einen Neuanfang versuchen. Aber er war nicht wegen Newcombe hier. Er wandte sich von ihm ab, sah Ruth an und dann an ihr vorbei in die mit Unrat übersäte See. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als mit ihr allein zu reden.
    Er wollte nicht kämpfen und sie verlieren. Jede Minute an diesem Ort war Kampf genug.
    Das Geräusch des Bootsmotors erzeugte ein seltsames Echo, während sie behutsam durch die Wohnviertel steuerten. Es hallte dünn von jeder Gebäudefassade wider, verlor sich jedoch in jeder Lücke, entfloh durch zerbrochene Fenster und kam durch offene Türen zurück.
    Newcombe drosselte den 260 PS starken Mercury herunter, so gut es ging, aber der Champion fuhr nicht langsamer als acht Stundenkilometer und kam auch im Leerlauf mühelos voran. Zu oft krachten sie in Hindernisse hinein. Einmal knirschte die Schraube über ein versunkenes Auto. Luftblasen und Glassplitter brodelten hoch, als sie ein Seitenfenster zermalmte. Mehrmals streiften sie große Inseln aus Gestrüpp, Balkenresten und Müll. Die Ruinen bildeten ein schwer durchschaubares Labyrinth. Cam nutzte diese Tatsache, um Newcombe unauffällig nach Osten zu lotsen. Manchmal ging das ganz einfach. Die Flut war aus dieser Richtung gekommen, hatte Zäune niedergewalzt, Gärten weggespült und oftmals Barrieren aus Unrat und Schlamm auf der Lee- oder Westseite der Gebäude zurückgelassen. Straßen, die nach Osten verliefen, waren meist frei.
    Sie mussten in Erfahrung bringen, ob sie mit dem Boot flussaufwärts fahren konnten, selbst wenn das einen neuen Streit heraufbeschwor. Newcombe durchschaute vermutlich, was Cam im Schilde führte, aber da keiner von ihnen nach Westen wollte, arbeiteten die beiden Männer gut zusammen. Einmal mühten sie sich gemeinsam ab, ein Schlangengewirr von Stromkabeln aus dem Weg zu räumen; ein anderes Mal beugten sie sich abwechselnd weit aus dem Boot, um eine lange Aluminiumfolie zur Seite zu schieben. In den Nebenarmen dümpelten in stehendem Wasser immer noch die merkwürdigsten kleinen Dinge: ein Spielzeug-Bauernhof, Schuhe, eine fest verschlossene Tupper-Schüssel mit Schimmelflecken an der Innenseite.
    Die Sonne flimmerte überall und zauberte weite Lichtflächen auf das verdreckte Wasser. Sie spiegelte sich in Öl- und Chemikalienpfützen, glitzerte auf Glas und Metall und erhellte jeden Kratzer auf Cams Schutzbrille so, dass er Dinge sah, die gar nicht da waren.
    Immer wieder verfingen sie sich in zarten Klebefäden. Hunderte von Netzen umgaben Tausende von Spinnen. Newcombe beschleunigte plötzlich, nachdem sie sich im Leerlauf durch das eingesunkene Gerippe eines Hauses geschoben hatten und sich plötzlich nur eine Armlänge von einer Wand voller Spinnweben und weißer, von winzigen braunen Leibern wimmelnder Nester entfernt fanden. Das Wasser schützte die Spinnen nicht nur vor den Ameisen. Es hielt die Gegend vermutlich so kühl, dass sie selbst im Sommer nicht von den Pest-Nanos angegriffen wurden, und Cam staunte wieder einmal über die

Weitere Kostenlose Bücher