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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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Entbehrung ertragen hatten – bis sie damit begannen, einander zu schlachten und zu verzehren.
    Stimmen hallten durch den Hohlweg. Cam verließ den Sonnenschein und duckte sich in die kühlen Schatten eines wuchtigen Felsblocks. Newcombe quetschte sich neben ihn und warf ihm einen zornigen Blick zu, ehe er noch einmal die Sicherung seines Gewehrs überprüfte. Cam hatte die Position der anderen Gruppe falsch eingeschätzt. Er hatte Newcombe so weit in den oberen Teil der Schlucht geführt, dass sie nicht zurück nach unten laufen konnten, und es gab von hier aus keinen anderen Weg zur noch höher gelegenen Steilwand, wo es ihnen möglich gewesen wäre, sich in einer Felsspalte zu verstecken, abzuwarten und die Fremden erst mal zu beobachten. Der Berg hatte ihn getäuscht und das Echo in die Gegenrichtung gelenkt, bis die andere Gruppe unvermittelt über einen Grat gekommen war und ihre Stimmen wieder talwärts von der Felsflanke abprallten.
    Sie klangen sehr nahe.
    »Ssst«, zischte Newcombe. Er stieß Cam mit dem Ellbogen an, deutete nach Süden und spreizte vier Finger.
    Sie werden auf unsere Fährten stoßen, dachte Cam. Allerdings war der Untergrund mit Ausnahme der Schneeflecken felsig und trocken, und sie hatten die Stellen gemieden, an denen junges Gras und Wildblumen wuchsen. Viele Spuren konnten sie nicht hinterlassen haben.
    Er biss die Zähne zusammen, verdrängte die bösen Erinnerungen an Gewehrfeuer und Schreie und versuchte so seinen Adrenalinfluss zu dämpfen. Dann kam die Gruppe in ihr Blickfeld. Uniformen. Cam hob die Pistole, aber Newcombe legte eine Hand genau dort auf seinen Unterarm, wo Ruth ihn berührt hatte.
    »Nicht«, wisperte Newcombe.
    Die zerfetzten Uniformen waren wohl einmal grün gewesen, hatten jedoch im Lauf der Zeit einen schmutzig ausgebleichten Farbton angenommen, der dem Braunoliv der Army-Tarnanzüge ähnelte. Die Schulterstücke und sonstigen Abzeichen waren paramilitärisch, aber sonst ließ die Gruppe jede soldatische Disziplin vermissen. Einer hatte das Hemd offen, und ein anderer trug eine verschlissene Baseballmütze der San Francisco Giants. Es waren Halbwüchsige. Pfadfinder. Alle vier trugen selbst gefertigte Rückengestelle aus robusten Ästen und Stricken, die sich gut zum Sammeln von Brennholz eigneten.
    Die Jungen waren mager, sonnengebräunt und abgehärtet, und sie schienen guter Dinge zu sein. Gelächter drang zu den Beobachtern herüber.
    Aber Cam war vor Angst so angespannt, dass er die Laute kaum als Lachen wahrnahm. Die Stimmen kamen ihm zunächst erwachsener und tiefer vor, als sie waren, weil ihm seine Nerven und die Echos von der Felswand einen Streich spielten. Dabei kannte er den lautesten Jungen bereits, da sie der Gruppe während des Aufstiegs fast einen Tag lang zugehört hatten. Der selbstbewusste Tonfall kam ihm sofort vertraut vor, als das Kerlchen zu prahlen begann:
    »Heut krieg ich dich am Arsch, Brandon!«
    »Pah!«
    »Wetten, dass ich dich hinten lasse wie immer?«
    »Mann, leck mich doch!«
    Sie umgaben sich mit ihrer Angeberei wie mit einem Schutzschild, als sie in die Todeszone eindrangen. Deshalb waren ihre Stimmen beim Näherkommen immer lauter geworden. Sie versuchten sich gegenseitig Mut zu machen.
    Newcombe schien von ihren groben, albernen Späßen ebenso verblüfft zu sein wie Cam. Beide Männer zögerten.
    Es war der großmäulige Typ, der sie als Erster sah. Die Augen in seinem glatten jungen Gesicht wurden mit einem Mal riesengroß. »Ach, du Scheiße!« Er wurde schneeweiß, packte zwei seiner Freunde und riss sie zurück.
    Cam hatte sich nicht gerade gewünscht, auf ein paar Halbwüchsige zu treffen. Er hatte geplant, sich aus einiger Entfernung bemerkbar zu machen, damit sie sich auf die Situation einstellen konnten – aber der laute Junge war wohl eine Art Führernatur. Er nahm wahrscheinlich an jedem Streifzug in die Todeszone teil, und seine unüberlegte Heldentat sprengte die Freunde wie eine Handgranate auseinander. Er schubste sie von Cam und Newcombe weg, obwohl das seine eigene Flucht verzögerte.
    »Wartet!«, rief Newcombe.
    Die Jungen ließen sich in ihrem hastigen Rückzug nicht aufhalten. Einer war über die Beine eines anderen gestolpert und zu Boden gestürzt. Der laute Anführer schrie erneut los und versuchte seinen Kumpel hochzuzerren. Sekunden später hörten sie Rufe von oben, dünn und verloren im Blau des Himmels.
    Cam blieb im Hintergrund, als Newcombe sein Gewehr über die Schulter schlang. Der Soldat

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