Plasma
streifte die Kapuze nach hinten und nahm die Schutzbrille ab, sodass sie seine Sommersprossen und das rotblonde Haar sehen konnten. »Wartet«, sagte Newcombe noch einmal. »Wir tun euch nichts.«
»Verdammte Scheiße, Mann ...«
»... wo kommen Sie denn her?«
Ihre Haut zeigte Spuren von verheiltem Ausschlag und Brandblasen. Manche der Narben wurden von der Sonnenbräune verdeckt, aber die Pest hatte sie wahrscheinlich mehr als einmal erwischt. Entweder waren sie des Öfteren in die Todeszone abgestiegen, oder die unsichtbare Nano-Flut schwappte während der heißen Sommertage über ihre am Rande der Barriere gelegene Insel hinweg. Cam konnte sich vorstellen, wie schlimm das sein musste – attackiert von der Seuche zu sein und keine Ausweichmöglichkeit nach oben zu haben.
»Das sind Soldaten«, sagte der gestürzte Junge nach einem Blick auf Newcombes Uniformjacke und den Pistolengurt. Dann hob er ganz plötzlich den Kopf, als suchte er am Himmel nach Flugzeugen.
Der Anführer sprach laut aus, was der andere dachte. »Ihr seid Amerikaner. Haben die euch abgeschossen?«
»US Army Special Forces. Ich bin Sergeant Newcombe, und er da heißt Najarro«, erklärte Newcombe, ohne sich vorläufig näher über Cams Status auszulassen. Die Burschen blieben unschlüssig stehen.
Ihr Anführer grinste breit. »Verdammte Scheiße!«, wiederholte er. Dieser Kraftausdruck schien ihm zu gefallen.
Der Junge hieß Alex Dorrington. Er war neunzehn, hatte dichtes braunes Haar und kniff ständig die Augen zusammen, eine Angewohnheit, die vermutlich auf die unerbittliche Sonne in den Höhenlagen zurückzuführen war. Außerdem wirkte er für sein Alter recht klein. Cam erinnerte sich, dass auch Manny in seiner körperlichen Entwicklung zurückgeblieben war. Diese Jungs mussten anderthalb Jahre jünger und noch im Wachstum gewesen sein, als die Pest ausbrach und sie plötzlich kaum noch etwas Vernünftiges zu essen bekamen.
Die Pfadfinder ähnelten Manny auch in anderer Hinsicht. Ihre Begeisterung kannte keine Grenzen. Sie bombardierten Cam und Newcombe mit hundert Fragen und fassten sie ständig an, insbesondere den Sergeant, an dessen Uniformjacke sie herumzupften, als wollten sie sich vergewissern, dass er echt war.
»Wo kommen denn all die Flugzeuge her?«
»... wenn wir euch helfen ...«
»Aber wie könnt ihr euch unterhalb der Barriere aufhalten?«
Zu Cam hielten sie etwas mehr Abstand. Sie schafften es nicht, ihr Entsetzen zu verbergen, als er seine Schutzbrille und Maske abnahm. Cam nützte ihren Schock aus, um Fragen zu stellen. »Wie viele Leute seid ihr insgesamt da oben?«
»Vier außer uns, Sir«, sagte Alex. »Aber da reden Sie am besten mit Brandons Dad.«
»Gut. Danke.«
Sie folgten den Pfadfindern vorsichtig den Grat entlang bergauf. Ruth erwähnten sie mit keinem Wort. Alex hatte einen Jungen namens Mike vorausgeschickt, aber vom Gipfel her hörten sie immer noch Rufe – von einem Mann und einem Mädchen, wenn sie nicht alles täuschte.
Die beiden Gruppen trafen sich in einer Schrunde der rissigen schwarzen Lava, und Cam überließ Newcombe die Führung, nicht wegen seines zerfressenen Gesichts, sondern weil er spürte, dass er zitterte. Die Begegnung flößte ihm Angst ein. Die Jungen waren mehr als freundlich gewesen, und doch merkte Cam, dass er ständig die Lage sondierte. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass sie in dieser Klamm kaum eine Fluchtmöglichkeit hatten. In seiner Anspannung fiel ihm wieder Sawyer ein. Es hatte Momente gegeben, in denen sein Freund so egoistisch und brutal wie eine Ratte und damit der ideale Überlebenstyp gewesen war. Aber Sawyers Stärke wandelte sich zur entscheidenden Schwäche, als er nicht mehr aufhören konnte, an die Spitze zu streben – als er nicht mehr aufhören konnte, gegen Gefahren anzukämpfen, die nicht existiert hatten, bis er sie sich einbildete. Letztlich hatte ihn das umgebracht. Cam wollte nicht wie er sein, und doch hatte er sich nicht mehr ganz in der Gewalt.
Newcombe machte den Anfang. »US Army Special Forces«, sagte er und streckte die Hand aus.
»Ich bin Ed«, entgegnete der Mann. »Ed Sevcik.« Er war Mitte vierzig und so dunkelhaarig wie Brandon, wenngleich sich in seinem Bart das erste Grau zeigte.
»Können wir uns irgendwo setzen, Ed?«, fragte Newcombe.
»Mein Gott, ja. Tut mir leid. Hier entlang. Ich bin ... ich kann noch gar nicht glauben, dass ihr gekommen seid.« Der Mann starrte immer wieder von einem zum anderen. »Danke.
Weitere Kostenlose Bücher