Plasma
Vielen, vielen Dank.«
Cam zwang sich zu einem Lächeln. Dass der Mann aufgeregt und begeistert war, überraschte ihn nicht weiter. Der Anblick neuer Gesichter musste einen tiefen Eindruck auf ihn machen.
Sie stiegen in der Klamm auf. Das Mädchen blieb dicht bei Ed. Cam stellte fest, dass sie Eds Stupsnase und das gleiche dunkle Haar hatte wie er, dazu lange Beine, die sie offenbar gern zur Schau stellte, denn sie trug knappe Shorts, während die Jungen lange Hosen anhatten, vor allem um sich gegen den rauen Fels zu schützen.
»Kommen noch mehr von euch?«, erkundigte sich Ed.
Newcombe schüttelte den Kopf. »Nein. Nur wir.«
»Die sind nicht aus einem Flugzeug, Mister S«, sagte Alex mit zusammengekniffenen Augen. Immer kniff er die Augen zusammen. Vielleicht hatte das doch nichts mit der Sonne zu tun, sondern damit, dass er eine Brille brauchte.
»Aber wie haben Sie dann hier heraufgefunden?«
»Das können wir Ihnen erklären«, erwiderte Newcombe, und der Junge, den sie D Mac nannten, fügte hinzu: »Die waren unterhalb der Grenze, Mister S.«
»Aber wenn Sie nicht mit einem Flugzeug ...«
»Das erklären wir alles, versprochen«, unterbrach ihn Newcombe. »Aber bringen Sie uns erst mal zu Ihrem Camp, damit wir uns setzen können, okay?«
Sie überquerten die abschüssige Fläche eines öden kleinen Plateaus. Hier lag mehr Schnee, in grauen, mit Staub und Pollen vermischten Flecken. Fünfzig Meter weiter vorn verschwand Brandon in einer schmalen Querrinne und eilte zu einem noch höher gelegenen Punkt hinauf, wo sie aus Erdreich und Felsbrocken einen Windschutz um ein paar Zelte errichtet hatten. Nach allen Seiten hin fiel die Welt ab, schroff nach Westen, etwas sanfter nach Osten, in ein breites, zerklüftetes Tal, an dessen Ende weitere Gipfel aufragten. Cam empfand den Anblick wie eine Heimkehr. Grenzenlose Weite und nichts außer Wind und Sonne. Die Menschen, die mit lauten, fröhlichen Stimmen auf ihn einredeten, wirkten in dieser Landschaft winzig.
»Vorsicht auf diesem Hang«, sagte Alex und kauerte am Rand der Rinne nieder. Er half erst Ed und dann Newcombe über die Kante. Und er half dem Mädchen. Ein Lächeln belohnte ihn.
Cam beobachtete die Kleine, während sie in die Tiefe kletterten und dann den Gegenhang erklommen. Sie war dünn und flachbrüstig. Keiner von ihnen hatte ein überschüssiges Gramm Fett am Körper. Vermutlich lenkte sie deshalb die Aufmerksamkeit auf ihre Beine. Obwohl sie ein paar alte Wundschorfe und ein paar frische Kratzer aufwiesen, waren sie ihr hervorstechendstes Merkmal.
Sie war das einzige weibliche Wesen der Gemeinschaft. Sie kann nicht älter als fünfzehn sein, dachte Cam, aber wenn Ed die Gruppe hier anführte, musste sie allein dadurch, dass sie unter seiner Kontrolle stand, einen großen Einfluss ausüben. König und Prinzessin. Sie war vermutlich der Magnet im Mittelpunkt, der die Jungs zusammenhielt, eine Rolle, die im Laufe ihrer langen Isolation wohl immer mehr an Bedeutung gewonnen hatte. Cam fragte sich, wie Ed es geschafft haben mochte, den Frieden zu wahren – warum es noch kein Baby gab. Offenbar hatte er verlangt, dass die Jungs ihn »Mister S« nannten, um seine Autorität zu stärken, aber sie waren inzwischen alle älter geworden, und Cam vermutete, dass ihm das Mädchen nicht mehr in allen Dingen gehorchte, sondern längst damit begonnen hatte, eigene Fäden der Macht zu spinnen.
Cam war darauf bedacht, sich nicht allzu eingehend mit ihr zu befassen. Stattdessen musterte er die Gesichter der Jungen. Das Mädchen hatte bis jetzt nichts gesagt, aber ihre Begleiter achteten ganz genau auf ihre Reaktion. Versuchten ihre Anerkennung zu erringen. Sicher ein berauschendes Gefühl für eine so junge Frau – und Cam und Newcombe waren gerade im Begriff, es ihr zu nehmen.
Das machte sie gefährlich.
Innerhalb des ringförmigen Windschutzes hatten sie acht Felsblöcke um ihre Feuergrube gewälzt. Brandon und Hiroki räumten ihre Plätze für Cam und Newcombe, und Cam begriff allmählich, dass Brandon den Rang eines Beta-Männchens einnahm. Das hatte wohl damit zu tun, dass er der Bruder des Mädchens war. Cam hätte es logisch gefunden, wenn er die rechte Hand seines Vaters gewesen wäre, aber Eds »Vizes« schienen Alex und D Mac zu sein.
Es war eine seltsame Hackordnung, aber sie hatte sich logisch aus ihren persönlichen Umständen entwickelt. Ed besaß sehr wahrscheinlich nicht die Energie, seinen Sohn zum Stellvertreter aufzubauen und
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