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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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langer Zeit Besuch von Leadville-Soldaten erhalten hatten.
    »Was glauben Sie?«, flüsterte Newcombe.
    Cam zuckte nur die Achseln. Ihr Verhältnis erinnerte ihn in mancher Hinsicht an die Beziehung zu Albert Sawyer, das war jener Mann, der sie zu dem Nanotech-Labor in Sacramento geführt hatte. Seine Freundschaft mit Sawyer war zugleich von Misstrauen, einem tiefen inneren Bedürfnis und unbedingter Loyalität geprägt gewesen. Ihm lag daran, besser mit Newcombe auszukommen. Er wollte es sich ersparen, ständig über die Schulter zu schielen, und versuchte deshalb wieder einmal, Frieden zu schließen. »Ich glaube, Sie haben recht«, sagte er.
    »Das Gelände hier erscheint mir gut geeignet«, fuhr Newcombe fort und deutete mit dem Kinn zu den Graten hinauf. »Tragen wir rasch noch diese Klamm in die Karte ein, ehe wir weiter nach Norden vordringen.«
    »In Ordnung.« Cam griff nach seinem Feldstecher, während Newcombe einen kleinen Notizblock aus der Tasche zog und den Wasserlauf in seine Skizzen eintrug. Der bei den Special Forces ausgebildete Soldat hatte seine eigene Kurzschrift, mit der er akkurat jedes Detail vermerkte. Cam ließ das Fernglas wieder sinken und versuchte mit allen Sinnen die Umgebung in sich aufzunehmen. Den Wind. Die Frühnachmittagssonne. Den Duft nach Staub und Tannennadeln, den der Berg verströmte. Er konnte immer noch Ruths Hand auf seinem Arm spüren.
    Am liebsten hätte er die Schutzbrille und Gesichtsmaske abgenommen, aber der Tag war klar und warm. Ohne Barometer musste er davon ausgehen, dass sie die Gefahrenzone noch nicht hinter sich gelassen hatten. Das schönste Wetter kam in der Regel mit Hochdruck-Fronten, die die unsichtbare Flut der Nano-Maschinen ein Stück ansteigen ließen. Auf ihren Karten stand bei den nächstgelegenen Höhenmarken 9985 und 10160 Fuß, aber Cam hatte gelernt, mit dem Schlimmsten zu rechnen. Sie befanden sich immer noch mindestens zweihundert Meter unterhalb der höchsten Gipfel.
    Bis jetzt war es ihnen nicht gelungen, einen Blick auf die Bewohner der Gipfelregion zu werfen. Sie hatten einen gewaltigen Nachteil. Dieser Archipel hoch gelegener Lebensinseln wirkte wie eine Kette von Festungen, die über einem schroffen, schartigen Lavaband aufragten. Sollten dort oben Soldaten sein, wenn es zu einer Schießerei kam, dann hatte der Gegner alle Vorteile auf seiner Seite.
    »Bleiben Sie hier«, sagte Newcombe.
    »Wir gehen gemeinsam.«
    »Nein. Wir können Ruth nicht allein zurücklassen, und falls ich zu einem schnellen Rückzug gezwungen wäre, müssten Sie mich decken.«
    Cam nickte. Mark Newcombe war ein guter Mann, trotz all ihrer Unstimmigkeiten. Newcombe hatte ihm Tag für Tag geholfen, die Wunde an der Hand zu säubern und neu zu verbinden. Und Newcombe hatte den schwersten Rucksack geschleppt, selbst nachdem Cam das Funkgerät an sich genommen hatte.
    »Wir gehen gemeinsam«, wiederholte Cam. »Zumindest bis zum Felsgrat. Dort verlieren wir uns nicht so leicht aus den Augen. Und früher oder später ... werden sie uns entdecken. Je länger wir hier herumschleichen, desto wahrscheinlicher wird das der Fall sein.«
    »Bleiben Sie trotzdem hier.«
    »Begreifen Sie denn nicht? Selbst wenn uns dort oben keine Soldaten erwarten ... die Leute sind möglicherweise verändert. Gefährlich ...«
    Flüchtig musterte Newcombe noch einmal die Klamm, dann warf er Cam einen langen prüfenden Blick zu. Sein Gesichtsausdruck blieb hinter Maske und Brille verborgen, aber seine Haltung verriet eine angespannte Aufmerksamkeit. Ausnahmsweise war Cam froh, dass auch er eine Schutzausrüstung trug. Er hütete immer noch ein Geheimnis, das er auf keinen Fall preisgeben wollte. Vor allem Ruth durfte nichts davon erfahren.
    Nach einer Pause ergriff Cam erneut das Wort. »Es ist besser, wenn wir zusammenbleiben. Nicht nur, um Stärke zu demonstrieren. Ich finde zwar vermutlich die richtigen Worte, um unser Anliegen zu erklären, aber Sie sind doch der Beweis dafür, dass der Impf-Nano wirklich funktioniert. Das könnte den Ausschlag geben.«
    Newcombe blieb stumm. Vielleicht dachte er an den ersten Berg und den Wahn, die Besessenheit, die jene Leute dazu getrieben hatte, Tausende von Kreuzen in den Fels zu ritzen und auf dem Boden auszulegen. Der Anblick hatte Cam bis ins Mark erschüttert, weil er nie geglaubt hätte, dass es eine Flüchtlingsgruppe geben könnte, der es noch schlimmer ergangen war als ihm und seinen Gefährten, die acht Monate durchgehalten und jede

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