Plasma
gleichzeitig seine Tochter zu beschützen. Das wiederum hatte den Aufstieg von Alex und D Mac begünstigt, bis sie schließlich die übrigen Jungen beherrschten. Brandon hatte einfach nicht die gleiche Motivation und das gleiche Ziel wie die beiden. Im Gegenteil, es wäre sogar gefährlich für ihn gewesen, um einen Platz ganz vorn in der Hierarchie mitzukämpfen. Ein König und seine Prinzessin brauchten keinen Prinzen neben sich. Sie brauchten Ritter.
»Wir haben nicht viel«, entschuldigte sich Ed, als Brandon zwei verbeulte Plastikflaschen herumreichte. Dann holte er zwei Aluschalen mit Beeren und Wurzeln. Cam hatte außerdem einen kleinen Topf und einen groben Jutebeutel entdeckt, die randvoll mit Heuschreckenpanzern gefüllt waren. Daneben lag ein glatter Stein zum Knacken der Insekten. Rindenstücke, frische Unkrautbüschel und Moospolster vervollständigten die Vorräte. Allerdings hatte Brandon von sich aus die Insekten und das zähe Grün weggelassen und nur das Beste aufgetischt.
»Ich kann auch etwas beisteuern«, meinte Newcombe und wühlte in seinen Taschen. Aus einer holte er einen Notizblock, den er Ed überreichte. Aus einer anderen kam ein knallig buntes Päckchen Gatorade-Pulver zum Vorschein, Geschmacksrichtung Waldbeere.
Die meisten der Jungs jubelten. »Mann, wow!«, sagte Alex. Sogar das Mädchen lächelte.
Ed erlaubte ihnen, das süße rote Pulver anzurühren. Das Mädchen und einige der Jungs tranken ihren Anteil sofort in tiefen Zügen – der Energiedrink war mit Mineralstoffen und Zucker angereichert –, während Brandon seinen Becher in kleinen Schlucken und mit geschlossenen Augen genoss. Alex bewies sogar noch mehr Selbstbeherrschung und hob sich die Kostbarkeit für später auf.
»Also – wie seid ihr in diese Gegend gekommen?«, erkundigte sich Newcombe.
»Was? Wie seid ihr ...«, begann Mike, aber Alex brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen und sagte: »Sagen Sie's ihnen, Mister S.«
Ed Sevcik nickte. Wie Alex erkannte er, dass Newcombes Frage ein Test war. Ihm war klar, dass Newcombe und Cam jederzeit aufstehen und gehen konnten. »Wir hatten ein Wintercamp organisiert. Mit Schneeschuh-Kurs«, sagte Ed und deutete nach unten, in Richtung Westen. »Ich und die Jungs, meine Frau und Samantha.« Geistesabwesend strich er über sein Hemd und die drei in Brusthöhe aufgenähten Quadrate. 4.1. 9. Die Nummer einer Pfadfinderschar.
Das Mädchen war in der Tat Brandons Schwester und Eds Tochter. Samantha und ihre Mutter hatten sich ebenfalls für Wander- und Angelausflüge begeistert – und waren eine Woche lang zusammen mit dem Pfadfindertrupp durch den Schnee gestapft. Ed war Dachdecker und arbeitete praktisch jeden Sommer durch, sodass das alljährliche Wintercamp seit Jahren den Familienurlaub ersetzte. Aber seine Frau meinte, das sei weit besser, als in Doppelreihen vor den Toren von Disneyland Schlange zu stehen. Alle Kinder freuten sich über die schulfreie Zeit, obwohl sie den versäumten Stoff später nachlernen mussten. Sam nahm ihren iPod mit. Brandon hatte Leistungsabzeichen wie kaum ein Junge seines Alters. Er und Alex hatten noch vor der Pest ihren Eagle Scout gemacht, die höchste Ausbildungsstufe bei den Pfadfindern, und nach Eds Einschätzung verdienten mittlerweile längst alle Jungs – aber auch Samantha – den Adler-Rang.
Sie hatten diesen winzigen Fleck dicht an der Todesgrenze zusammen mit drei Leuten erreicht, die sie nicht kannten, berichtete Ed. Cam fragte nicht näher nach, obwohl er die Statistik etwas merkwürdig fand. Warum waren nur die drei Fremden und Eds Frau tot? Entweder hatte jemand versucht, sich dem Mädchen oder der Mutter auf unerlaubte Weise zu nähern, oder es hatte Streit um das Essen gegeben. Cam hatte selbst schon aus solchen Gründen gemordet, aber das lag lange zurück.
Die Pfadfinder waren perfekt dazu geeignet, die Impf-Nanos zu verbreiten, dachte Cam, und es war kein wirklicher Zufall, dass er, Newcombe und Ruth auf diese tüchtige Gruppe gestoßen waren. Niemand sonst hätte wohl auf einem so winzigen Fleck Erde überleben können.
»Wir brauchen eure Hilfe«, erklärte Newcombe und begann von dem neuen Impfstoff und dem Kampf um seinen Besitz zu berichten.
Ed und seinem Wolfsrudel war der plötzliche Luftkrieg nicht entgangen. Anfangs hatte das Auftauchen der Kampfjets und der Helikopter kühne Hoffnungen in ihnen geweckt. Sie hatten sich eingeredet, dass endlich umfangreiche Rettungsmaßnahmen eingeleitet wurden,
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