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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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ein Signal. Das Mädchen senkte den Arm und lockerte die Faust um den Felsbrocken, und der Einäugige blieb ein Stück von Ruth entfernt stehen. Ein anderer Mann und zwei Frauen in ihrer Nähe entspannten sich ebenfalls, ohne jedoch ihre Messer und Knüppel loszulassen. Eine der Frauen war hochschwanger. Die andere hatte eine helle Haut, die sich an mehreren Stellen schälte.
    Ruth schätzte, dass die Gruppe aus etwa zwanzig Überlebenden bestand. Cam und Newcombe hatten sich lediglich einen flüchtigen Überblick verschafft, ehe sie zu dritt in das Lager wankten, immer noch von der Angst geplagt, dass Soldaten aus Leadville auf der Lauer liegen und sie in Empfang nehmen könnten. Das war eine sehr reale Gefahr.
    Newcombe hielt den Lauf seines Gewehrs nach unten. Ruth folgte seinem Beispiel und senkte den Arm mit der Pistole. Nur Cam richtete seine Waffe weiterhin auf den Anführer der Gruppe. »Versammeln Sie alle, die hier leben, im Freien«, sagte Cam. »Haben Sie Fremde in Ihrer Siedlung untergebracht?«
    »Was?« Der Mann runzelte die Stirn und spähte dann in die Weite des Tals hinaus. »Es ist niemand hier gelandet, wenn Sie das meinen. Noch nicht.« Er versucht Zeit zu gewinnen, dachte Ruth. Es ist sicher nicht leicht für ihn, seine Leute vor unseren Waffen aufzureihen. Der Schwarze umfasste mit einer weiten Geste den Lärm am Himmel. »Was zum Teufel geht hier vor?«, fragte er.
    Cam weigerte sich, die Nacht auf dem Berg zu verbringen. »Wir sind in fünf Minuten wieder weg«, sagte er, während er niederkniete und den fleckigen Verband von seinem Handgelenk wickelte. Einer der Männer hatte eine Plastikschüssel geholt, die Cam neben seinem Messer auf den Boden stellte.
    Achtzehn Überlebende hatten sich in einem Halbkreis um ihn geschart. Ruth las Unsicherheit und Misstrauen in ihren Augen – und einen ersten ungläubigen Hoffnungsschimmer.
    »Ich weiß, dass es gleich dunkel ist, aber packt euer Zeug zusammen und begebt euch unter die Todesgrenze«, sagte Cam. »Der Impfstoff wirkt in wenigen Minuten. Schneller als die Pest-Nanos. Je länger ihr bleibt, desto größer ist die Gefahr, dass eines der Flugzeuge aus der Luft angreift und euch alle tötet. Ihr habt doch selbst gesehen, was hier geschieht.« Er wies mit dem Kinn nach Norden zu den Berggipfeln, die unter Flugzeugbeschuss gestanden hatten. Aber nur wenige der Versammelten wandten die Blicke von ihm ab.
    Er versucht sich mit dieser Überzeugungsarbeit selbst abzulenken, dachte Ruth. Der Schnitt war in der kurzen Zeit nicht verheilt, und die roten Wundränder deuteten auf eine Infektion hin. Cam grub die Messerspitze tief ins Fleisch.
    Ruth hielt den Atem an und hörte Aufschreie, als das Blut über Cams verkrüppelte Finger in die Schüssel lief.
    »Wir brauchen erst mal Hilfe«, sagte der hagere Schwarze, der sich als Steve Gaskell vorgestellt hatte.
    Ruth schaute auf, empört darüber, dass er Cams Bemühungen so gleichgültig gegenüberstand, aber in Gaskells Miene spiegelte sich ein sehnsüchtiges Verlangen. Er starrte in die ordentlichen, durchsichtigen Vinylfächer von Newcombes Erste-Hilfe-Koffer, den sie auf dem Boden aufgeklappt hatte. Pflaster und Verbandsmull. Antibiotika. Salbe. Wieder spannte sich Ruth an. Sie spürte die Blicke der Fremden auf sich gerichtet und lief rot an. Obwohl ihre Rucksäcke fast leer waren, mussten sie diesen Leuten unendlich reich vorkommen. Und Cam hörte nicht auf, sie zu bedrängen.
    »Dazu ist jetzt keine Zeit«, erklärte er.
    »Wir haben zwei schwangere Frauen und drei Schwerkranke«, sagte Gaskell.
    »Wir geben euch, was wir entbehren können, aber verlasst diesen Berg, wenn ihr am Leben bleiben wollt«, sagte Cam. »Am besten heute noch.«
    Ruth wunderte sich, dass Cam die Leute so grob behandelte, aber die Begegnung mit ihnen musste wohl wie der Blick in einen Spiegel wirken. Die gleiche Ungeduld hatte er schon einmal an den Tag gelegt, als die Pfadfinder zögerten, ihr Lager auf dem Berg zu verlassen. Sein Verhalten war selbstzerstörerisch und konnte sie alle gefährden. Angst stieg in ihr auf, vermischt mit heißem Zorn.
    Die Gestalten in der Dämmerung traten unruhig von einem Fuß auf den anderen.
    Ruth suchte unauffällig nach dem Mann mit dem Gewehr.
    »Sie dürfen nicht fort«, sagte das Mädchen zu Gaskell.
    Ein Mann wandte sich mit finsterer Miene an Cam. »Wartet auf uns! Ihr könnt doch warten.«
    »Wir können nicht bleiben«, entgegnete Newcombe.
    »Und ihr seid auch nicht mehr auf

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