Plastikfreie Zone
bequeme Lösung entschied, doch daneben gab es gesundheitliche Bedenken, denn die schier unendliche Saugfähigkeit der Wegwerfwindeln war mir nicht geheuer. Und so verbrachten letztlich alle drei Kinder – wenngleich mit wechselnder Begeisterung seitens der wickelnden Eltern – die Anfänge ihres Lebens überwiegend in Stoffwindeln.
Obwohl wir das als kleine Erfolgsstory in Sachen Müllvermeidung verbuchten, begnügten wir uns im Übrigen damit, den Müll so gut wie möglich zu trennen und entsprechend zu entsorgen. Solange wir in Graz lebten, war das nicht einmal mit Umständen verbunden, weil direkt vor unserem Haus Papier-, Metall- und Glascontainer standen. Plastikverpackungen sowie PET-Flaschen sammelten wir zusätzlich brav im sogenannten gelben Sack, und die Tetrapacks landeten in der Ökobox. Was nach der Abholung damit geschah, entzog sich einerseits unserer Kenntnis und interessierte uns andererseits auch nicht weiter. Und da die »Jute-statt-Plastik«-Bewegung damals gerade kein Thema war, schien mit der gewissenhaften Mülltrennung aus meiner Sicht sowohl das Nötige als auch das Richtige und vor allem das einzig Mögliche getan.
Recycling. Dieses Schlagwort reichte über Jahre vollkommen aus, um mir und vermutlich dem Großteil der Verbraucher bezüglich des Umgangs mit Müll ein wirklich gutes Gewissen zu bescheren. Von der anfallenden Gesamtmenge fehlte jede Vorstellung. Wie denn auch? Schließlich wurde der Abfall zu Hause abgeholt: aus den Augen, aus dem Sinn. Und überhaupt: Wer denkt schon gerne über Müll, seine Entstehung und Entsorgung, geschweige denn über seine Vermeidung nach? Das tut man erst, wenn es für einen selbst zum Problem oder zumindest augenfällig wird.
Dann zogen wir aufs Land. Und hier gingen und gehen die Uhren anders als in der Großstadt. Das beginnt schon mit den Restmülltonnen, die lediglich einmal im Monat geleert werden, für uns damals ein Novum. Zum Glück gibt es für Altpapier in unmittelbarer Nähe einen Container, aber alle anderen »Müllsortimente« müssen wir seither selbst zum Wirtschaftshof der Gemeinde bringen. Als wir plötzlich sahen, wie sich neben der Tonne immer mehr Plastikmüllsäcke auftürmten, fanden wir das wenig attraktiv. Eine Zeit lang erschöpfte sich die Diskussion über das leidige Problem allerdings darin, zusätzliche Fahrten zum Wirtschaftshof zu organisieren, was in Anbetracht der recht begrenzten Öffnungszeiten mitunter nicht ganz einfach war. So feilschten mein Mann und ich regelmäßig, wer diesmal an der Reihe sei. Obwohl sich nicht übersehen ließ, dass allein in unserem Haushalt riesige Mengen an Plastikmüll anfielen, kamen wir vorerst gar nicht auf die Idee, den Missstand bei der Wurzel anzupacken. Wir müssen wirklich anderweitig sehr beschäftigt gewesen sein, und ich befürchte, Peter und ich würden heute noch diskutieren, wenn …
Aber der Reihe nach.
Ein paar Umwege und Zwischenetappen waren nötig, bis es zu einer entscheidenden Wende in Sachen Müllvermeidung kam. Zunächst einmal beschäftigte ich mich vorwiegend mit unserer Ernährung. Nachdem ich Erwin Wagenhofers Film We Feed the World , eine kritische Bilanz der zunehmenden Industrialisierung der Nahrungsmittelproduktion, gesehen hatte, begann ich immer größeren Wert auf Auswahl und Herkunft von Lebensmitteln zu legen. Inzwischen halten wir uns weitestgehend an Bioprodukte, essen wenig Fleisch – Marlene ist ohnehin seit ihrem achten Lebensjahr Vegetarierin – und geben acht, dass Lebensmittel möglichst aus Österreich kommen. Wenn sie doch einmal, wie etwa Bananen, aus fernen Ländern stammen, versuchen wir zumindest, Bio- und Fair-Trade-Erzeugnisse zu kaufen.
Animiert durch einige Freundinnen gingen wir außerdem verstärkt dazu über, es im Krankheitsfall primär mit sanften Methoden und unserem Homöopathen zu versuchen, was eigentlich fast immer zum Erfolg führte – so hat seit mehr als zehn Jahren keines unserer Kinder ein Antibiotikum gebraucht. Darüber hinaus kamen in dieser Zeit vermehrt biologisch abbaubare Putz- und Waschmittel zum Einsatz, das Auto blieb häufiger zugunsten von Bahn oder Fahrrad stehen, Flugreisen machten wir auch damals schon nicht, und so war ich mir bis zum Herbst 2009 eigentlich ziemlich sicher, dass ich über das nötige Wissen und alle Voraussetzungen für eine möglichst umwelt- und gesundheitsbewusste Lebensführung verfügte. Bei der Umsetzung in die alltägliche Praxis mochte es zwar Optimierungsbedarf und
Weitere Kostenlose Bücher