Plastikfreie Zone
ihre eigenen »Rezepte« – und was in den einzelnen Produkten letztendlich wirklich enthalten ist, bleibt nicht nur den Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auch den Kontrollorganen der EU meist verborgen.
Abgesehen davon, so Bootes Fazit, braucht man vermutlich ein abgeschlossenes Chemiestudium, um die Schädlichkeit einzelner Inhaltsstoffe überhaupt einigermaßen einschätzen zu können. Plastik ist mittlerweile überall – auch dort, wo es eigentlich niemand haben will. Woraus wiederum das Riesenproblem resultiert, dass die unreflektierte Verwendung derartiger Produkte nicht nur zu gigantischen, für jedermann sichtbaren Müllbergen führt, sondern auch verborgene Gefahren birgt. Unmittelbare oder solche mit Langzeitwirkung, wie es etwa gerade bei Müll auf dem Meeresboden der Fall ist.
Verschiedene Chemikalien, die bei der Plastikproduktion verwendet werden, lösen sich nämlich mit der Zeit aus dem Material und können den menschlichen Organismus auf unterschiedlichste Weise schädigen, doch lassen sich die Zusammenhänge zumeist nicht untersuchen, weil sich die Kunststoffindustrie eben gerne auf das Prinzip Geheimhaltung beruft.
All das führt Bootes Film vor Augen, nähert sich dem Thema unter verschiedenen Aspekten: Da findet sich der schöne Schein der Werbung ebenso wie die »wohltätige« Forschung, der seriöse wissenschaftliche Ansatz ebenso wie die skrupellose Vermarktung, da werden Gespräche geführt mit Industriellen, Wissenschaftlern und Medizinern, aber bei aller Betroffenheit und Ernsthaftigkeit kommt auch die Lust am Skurrilen und Komischen nicht zu kurz.
Und so schuf Boote mit diesem ungewöhnlichen Film nicht nur ein erschütterndes, aufrüttelndes Dokument des Plastikzeitalters, sondern schaffte es überdies, dem Film mit einer speziellen Mischung aus zeitweise fast unerträglicher Hartnäckigkeit, erfrischender Spontaneität und einer Prise »Wiener Schmäh« zugleich eine heiter-unterhaltsame, ja zeitweise sogar witzige Note zu verleihen.
Eine einsame Entscheidung
Als Nicole und ich aus dem Kino herauskommen, wartet dort Gerhard auf uns, der Lebensgefährte meiner Freundin Sonja. Er hat den Film ebenfalls gesehen, uns zufällig im Kino entdeckt, und wie uns steht ihm der Sinn jetzt nach einem Glas Rotwein. Um das Ganze zu »verdauen«, wie er sagt.
Also einigen wir uns rasch, gemeinsam auf die Suche nach einem passenden Lokal zu gehen. Bezüglich des »Verdauens« des soeben Gesehenen gibt es allerdings weniger Einigkeit. Jedenfalls hält Gerhard es offenbar für reichlich übertrieben, dass mich der Film dermaßen aufgewühlt hat.
»Na ja, so tragisch sehe ich das alles nun wieder nicht«, meint er und fügt fatalistisch hinzu: »Und außerdem, was willst schon machen? Plastik ist eben überall. Alles ist verpackt. Da kannst du höchstens gar nichts mehr einkaufen!«
Meine Betroffenheit ist in diesem Moment noch so frisch, dass ich beinahe verärgert reagiere und leicht gereizt zurückfauche: »Ja, gar keine schlechte Idee, wäre ohnehin besser, weniger zu kaufen …« Meine alte Neigung, für inakzeptable Zustände sofort eine Lösung zu suchen, macht sich in diesem Moment mal wieder bemerkbar, was meine Begleiter allerdings nicht ahnen können. Während Nicole und Gerhard aufzählen, ob und was und wo man ohne Plastikverpackung einkaufen kann, beginne ich innerlich auf Hochtouren zu laufen.
Nur noch halbherzig verfolge ich das Gespräch.
Nicole: »Okay, Gemüse, Brot und Gebäck, das geht ja, meistens zumindest. Im Supermarkt allerdings ist das meiste verpackt. Und wenn du Wurst und Käse offen kaufst, bekommst du es in Folie oder beschichtetes Papier eingewickelt. Alles andere ist sowieso aussichtslos. Zum Beispiel bei Toiletteartikeln, da kenn ich überhaupt nichts, was nicht in Plastik verpackt wäre.«
Gerhard: »Stimmt, ist hier auch sinnvoll. Wäre ja wohl ein bisschen gefährlich, wenn in den Duschen überall Glasflaschen mit Shampoo und Duschgel herumstehen würden.«
Nicole: »Bei den Putzmitteln ist es ja dasselbe. Da gibt es kaum eines, das nicht in einer Plastikflasche abgefüllt ist – bliebe höchstens als Alternative die gute alte Kernseife.«
Mich regt das alles nur noch mehr auf und es brodelt in mir. Es scheint, als würde das Resultat dieser Diskussion von vornherein feststehen: geht nicht! Mein Widerspruchsgeist erwacht. Ein Zustand, der dermaßen nach Veränderung schreit, kann doch nicht einfach so verbal in Stein gemeißelt werden.
Ich
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