Platinblondes Dynamit
erneut. Dass Elmo irgendetwas anderes als die Wahrheit zu Protokoll geben sollte, war lachhaft. Wozu?
Ihn beschäftigte etwas ganz anderes. Er war ein Kriminalschriftsteller, dem eine bestenfalls halbfertige Hauptfigur entkommen war. In die Realität, ausgerechnet. Wo sie nun Amok lief. Und weil sie bisher bestenfalls angedacht, angerissen war, sah sie ihm, ihrem Erfinder, offenbar ähnlich genug, dass man ihn mit ihren Taten beschuldigen konnte.
Er stöhnte innerlich. Wenn er doch bloß ein bisschen mehr Zeit gehabt hätte, sie zu formen! Sie zu gestalten, an ihrem Äußeren und an ihrem Charakter zu feilen! Doch, nein. Was er am wenigsten begriff, war, wie das alles hatte passieren können, und am allerwenigsten, womit er das verdient hatte.
„Und falls Sie sich weiter so verstockt geben, Herr Windell, dann schwöre ich, werden Sie überreichlich Gelegenheit finden, den realen Polizeialltag näher kennenzulernen.“
Und das warf die Frage auf, wie er jemals wieder aus diesem Schlamassel herauskommen sollte.Vielleicht war es wirklich das Beste, zu gestehen und sich einbuchten zu lassen, bis man Pussy verhaftete? Wo – auch diese Frage hörte nicht auf, ihn zu beunruhigen –, wo mochte sie stecken?
„Nein.“ Per war willig genug, doch Pussy bekam so langsam den Eindruck, als ob der hübsche Rezeptionist ein klein bisschen begriffsstutzig sei. „Jetzt mal im Ernst, mein Bürschchen: Sehe ich aus wie eine Frau, die in ihrer Freizeit Bäume fällt? Oder Rohre verlegt? Und es reicht nun wirklich, dass die Straßen dieser Stadt von einer vorgeblichen Polizistin unsicher gemacht werden, da braucht es nicht noch meine Beteiligung an der Scharade. Also noch mal zum Mitschreiben: Wenn ich sage, ich brauche ein Kostüm, dann meine ich eins von Chanel oder Prada und nicht eins für den Maskenball. Kapiert?“
Da zog er ab. Und sah einfach zum Vernaschen süß aus, wenn er schmollte. Pussy kramte in ihrer Handtasche, bis sie ihr Parfüm für besondere Gelegenheiten fand. Ein Tröpfchen hier … ein Tröpfchen da … Und vielleicht noch ein Tröpfchen aus der Minibar …
„Wieso tun Sie so, als ob Sie mir nicht glauben?“ Windell klang so empört, wie er war. „Streng genommen müssten Sie selber doch eines meiner Alibis bestätigen. Sie persönlich hatten mich doch gerade erst in Eisen gelegt, als Pussy Cat versuchte, die ,Fal…‘, äh, Ihre Kollegin zu überfahren.“
„Ach, dafür muss es eine einfache Erklärung geben.“
Es musste, musste einfach. Musste . Eine einfache Erklärung, eine glasklare Lösung, eine wasserdichte Anklage, eine reibungslose Verurteilung. ‚Gute Arbeit, Meckenheim. Der Staatsanwalt ist beeindruckt. Ah, und die Kollegen vom Morddezernat haben Sie angefordert. Kniffliger Fall. Ganz was für Sie.‘
„Wahrscheinlich eine Verzögerung oder Überschneidung bei der Übermittlung des Polizeifunks, so was in der Art.“
So was in der Art. So was musste es gewesen sein. Und Elmo Jock log aus falsch verstandener Loyalität. Musste . Weil die Alternative – keine Lösung, keine Verurteilung, ein von oben als ‚unverständlich‘ oder ‚realitätsfern‘ beurteilter Bericht – nichts anderes bedeuten würde, als bis zum Zeitpunkt seiner Pensionierung hier unten begraben zu bleiben, darum.
„Jetzt kommen Sie schon! Geben Sie sich einen Ruck und erzählen Sie mir die Wahrheit. Ansonsten dauert dieses Verhör bis in alle Ewigkeit.“
Windell spürte seine Müdigkeit. Und seine Überlastung. Also gab er sich den geforderten Ruck. Und erzählte alles. Haarklein und ganz genau, einhundertprozentig so, wie es sich zugetragen hatte.
Keine dreißig Minuten später dämmerte er selig lächelnd und sicher gehalten von vielen stabilen Riemen rücklings auf der Bahre eines Krankenwagens, unterwegs in die idyllisch gelegene Forensische Anstalt von Köln-Dollendorf.
„Nimm mich, bitte nimm mich! Schonungslos! Vergeh dich an mir!“
Irgendetwas lief hier nicht ganz richtig, fiel Pussy auf. Denn eigentlich war sie es, die sich hingeben, die genommen werden wollte. Und sie war bereit, sie war angewärmt, ja mehr als das. Sie war entflammt und wäre Wachs in seinen Händen. Wenn er sich nur auf sie legen würde. Anstatt sich in die Matratze zu verkrallen.
Sie wurde den Verdacht nicht los, dass ihr jugendlicher Liebhaber nicht nur etwas begriffsstutzig,sondern auch ein wenig desorientiert war. Denn wie sonst war zu erklären, dass er, anstatt sich ihre überwältigende Dankbarkeit für dieses
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