Platinblondes Dynamit
Windell plagten noch gewisse Eingewöhnungsschwierigkeiten. „Die da?“, fragte er und zeigte auf das Bahnhofsuhrmodell, das von der Decke des Kreuzgangs hing.
„Blödsinn!“ Kilius/Bäumler stieß sich ab, fuhr scharf zu ihm herum, rollte heran und bremste abrupt. „Jetzt stell dich nicht blöder, als du bist! Wir sind doch Kollegen, oder?“
Windell war skeptisch. Irgendwie war er noch nicht bereit für den Schulterschluss mit anderen Schizophrenen.
„Ich habe Teile deines Gesprächs mit … ihr … mitverfolgt.“ Alle drei, Mann, Puppe, Windell, blickten zur Tür von Frau Doktor Störzenichs Büro.
„Die Ostblock-Punktrichterinnen waren Engel im Vergleich“, warf die Puppe ein.
„Du bist demnach Autor.“
„Schriftsteller“, korrigierte ihn Windell automatisch.
„Aah, Schriftsteller !“ Kilius/Bäumler stieß sich wieder ab in eine rollende Pirouette. „Was Besseres also!“, höhnte er. „Kann mal einer das Bimmeln abstellen?“, forderte er dann unvermittelt.
„Obwohl, als Trainerin könnte sie es weit bringen“, meinte die Puppe,offenbar in ihrer eigenen Gedankenwelt.
„Ein Poet! Was Erlauchteres als wir Schreibroboter vom Fernsehen!“ Kilius/Bäumler kam schwungvoll zurück. „Trotzdem ist dir deine Hauptfigur abgehauen, Schöngeist“, zischte er.
„Nun ja.“ Der Drehstuhlsurfer schien der Erste zu sein, dem das nicht verrückt vorkam. Gleichzeitig …
„Was ist dein Traum? Womit hat man dich geködert?“
„Traum? Geködert?“ Windell kam nicht ganz mit.
„Sie hat diesen unbedingten Willen“, sagte die Puppe. „Und die Mittel, ihn durchzusetzen.“
„Du schreibst, du träumst. Du willst etwas erreichen, etwas darstellen. Was?“
„Nun, wenn ich ehrlich bin …“
„Ja, ja, raus damit! Deine Frist läuft ab, denk dran.“ „Wenn ich ehrlich bin, habe ich immer davon geträumt, so zu sein wie Hemingw…“
„Keine Namen!“, blaffte Kilius/Bäumler und sah sich wild um. „Vornamen sind, wenn’s gar nicht anders geht, okay“, fügte er dann leise hinzu.
„Also wie Ernest Du-weißt-schon-wer.“
Das brachte ihm einen mitleidigen Blick ein. „Ein fetter, versoffener, impotenter, depressiver, haltloser Angeber? Na, du hast Ideale“, fand der Mann auf dem Drehstuhl.
„Nein, ich meine, so ein berühm…“
„Ich dagegen“, unterbrach ihn Kilius/Bäumler und begab sich auf eine neue, kreiselnde Reise den Gang hinunter, „ich wollte einfach nur den Drehbuch-Oscar.‚And the winner is …‘“, dröhnte er volltönend, nur um unvermittelt wieder „Das Bimmeln!“ zu rufen. „Stell doch mal einer das Bimmeln ab!“
Überflüssig zu sagen, dass kein Bimmeln zu hören war.
„Ich wollte den stillen Ruhm, den Respekt von Experten, nur Insidern bekannt sein. Und das ist mir auch gelungen. Und wie mir das gelungen ist.“
„Na ja. Ich wäre schon gerne berühmt und angesehen“, meinte Windell. „Und das nicht nur bei Insidern.“
„Dann ist ja alles klar. Du bist auf dem besten Weg dazu.“
„Wie das?“
„Du musst nur die Uhr ignorieren.“ Kilius/Bäumler stoppte direkt vor Windell, der sich am Anfang einer Stuhlreihe niedergelassen hatte. So saßen sie nun auf Augenhöhe. „Es wollte und wollte nicht klappen. Du hast geschrieben und geschrieben, doch es fand sich niemand, dich mit dem bärtigen Säufer zu vergleichen.“
„Es war ein bisschen anders. Meine Verlegerin wollte …“
„Egal! Auf alle Fälle hast du diese Software installiert. Aus der Klappe in der gewonnenen Tür.“
„Woher wissen Sie …“
„Es sind immer Türen. Und es sind immer Preise. Meine war für das Skript irgendeiner Fernsehserienfolge und mit ‚Nominees Only‘ beschriftet. Ich hab die CD herausgenommen, das Programm installiert, und dann habe ich die Frist verstreichen lassen, ich Idiot. Doch ich wollte den Oscar, ich wollte ihn so sehr. Das Bimmeln!“, schrie er. „Abstellen!“ Seufzend sackte er in sich zusammen.
Windell verlor ein bisschen die Geduld. „Welche Frist denn, verdammt noch mal?“
„Kleines Fenster, rechts oben im Bild? Ticker, ticker, ticker?“
„Ach das.“
„Ja, ach das ! Lass sie bis auf null heruntertickern, und du wirst berühmt, auf deinem Gebiet. So einfach ist das. Zu einem Preis, versteht sich.“
Gegen seinen Willen musste Windell kurz auflachen. „Lassen Sie mich raten: Meine Seele?“
„Schwachsinn!“ Die Augen des alten Mannes unter dem kastanienbraunen Dutt funkelten gefährlich. „Deine Seele? Scheiß auf
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