Platinblondes Dynamit
die Seele! Seelen gibt’s an jeder Straßenecke. Kann sich nur kein Arsch was für kaufen.“
„Also, was dann?“
Kilius/Bäumler fuhr ein bisschen auf, ein bisschen ab. „Du hast das Kleingedruckte nicht gelesen, oder?“ „Nein. Ich meine, wer macht das schon?“ „Schlimmer noch: Du hast immer noch überhaupt keine Ahnung, in was du da verwickelt bist, oder?“
„Nicht wirklich.“
Kilius/Bäumler drehte eine versonnene Runde, nicht mehr als ein, zwei schwungvolle Rotationen, zu denen er einen Walzertakt summte. Dann stoppte er wieder vor Win dell.
„Wir alle“, sagte er mit feierlichem Ernst, „wissen, oder glauben zu wissen, woher die Kirche ihre Einnahmen bezieht, oder? Für all das Gute, das sie tut?“
Windell nickte. Kollekten, Kirchensteuer et cetera. Er hatte ein Bild.
„Doch was“, fragte Kilius/Bäumler und war schon wieder unterwegs, „ist mit …“, er senkte die Stimme zu einem rauen Flüstern, „… der anderen Seite?“ Er spreizte Zeige- und kleinen Finger, um mit beiden unauffälligRichtung Fußboden zu deuten. „Wie kriegt SIE all das Schlechte, all das Böse finanziert? Schon mal drüber nachgedacht?“
„So richtig nicht“, musste Windell eingestehen.
„Du ahnst es natürlich, so wie viele, wie wir alle es auch ahnen, Tag für Tag, bei Gott. Und es stimmt. Die Antwort passt in ein einziges Wort“, raunte Kilius/ Bäumler. „Und dieses Wort, es lautet: Unterhaltungsindustrie.“
Windell schwieg, perplex.
„Hast du dich nie gefragt, wie es manche dieser Nullen an die Spitze der Charts schaffen – egal welcher Charts –, und das nicht nur einmal, sondern immer wieder? Hat dich nie der Verdacht geplagt, dass da jemand nachgeholfen haben muss? Hast du nie gedacht: Was um alles in der Welt macht diese talentbefreite Hackfresse da auf dem Poster, auf der Mattscheibe, auf der Bühne, auf dem roten Teppich, auf der großen Leinwand, auf dem Cover von ‚Literatur Heute‘?“
„Doch.“ Windell nickte. Hatte er.
„Und zu Recht. Aber, mein Freund, dieser Ruhm, dieser unverdiente Ruhm, dieses Leben im Fernsehen und die ach so glanzvollen Auftritte im Scheinwerferlicht, all das hat seinen Preis. Und zwar: “ Er rieb Daumen und Zeigefinger vielsagend aneinander. „Geld. Und zwar alles . Sämtliche Einnahmen. Denn selbstredend finden die Verhandlungen immer erst nach Inkrafttreten des Vertrages statt. Kannst du dir vorstellen, wie viel … SIE dir dann noch lässt? Nichts, mein Freund. Gar nichts. Und wenn du noch so bettelst.“
Das war lächerlich, das war garantiert übertrieben.
„Ja, aber“, widersprach Windell, „nehmen wir zum Beispiel mal einen, ich sag mal, offensichtlichen Kandidaten, den Dieter Bo…“
„Keine Namen! Um Gottes willen keine Namen! Du ahnst nicht, was du damit heraufbeschwörst! Doch, wo du ihn schon erwähnt hast: am Bettelstab, der Gute.“
„Ha! Und was ist mit seinen Häusern? Allein das auf Mallorca muss doch …“
„Show. Reine Fassade. Er wohnt zur Miete. Bottrop, Vorort, achtundzwanzig Quadratmeter, Souterrain, Nacht speicherheizung.“
„Aber er fährt einen Ferrari, das hab ich selbst gesehen.“
„Nur zu Gerichtsterminen, wie Scheidung oder Verleumdung. Und auch das nur, wenn sicher ist, dass das Fernsehen kommt. Willst du wissen, was er ansonsten fährt? Ford. Einen Ford Fiesta. Erste Baureihe. In – jetzt halt dich fest – violett. Mit ’nem alten ‚Emma‘-Aufkleber hintendrauf, der sich nicht entfernen lässt.“
Windell weigerte sich rundheraus, das zu glauben.
„Also, selbst wenn das wahr sein sollte, das mit dem Souterrain und dem … dem Fiesta, bleiben da immer noch die schnuckeligen Freundinnen.“
„Schnuckelig?“, mischte sich die Puppe ein. „Hab ich ‚schnuckelig‘ gehört? Haare und Nägel aus dem Studio, Make-up und Fähnchen aus dem Milieu , Titten und Lippen aus dem Dichtmittelregal im Baumarkt. Schnuckelig ? Aber nur, wenn man auf den preiswerten Typus steht.“
„Ja, ja. Klar. Diese … Modelle . Doch die Wahrheit ist, auch da hält …“, doppelter Fingerzeig nach unten, „… SIE die Hand drauf. ‚Schreib mir einen Hit‘, heißt es …“
„‚ SIE ‘?“
„Ja sicher. Überrascht?“
Windell dachte einen Moment lang nach und musste dann eingestehen, dass nein, nicht wirklich. Nicht im Geringsten, wenn er ehrlich war.
„Also: ‚Schreib mir einen Hit‘, ertönt es jedes Mal, wann immer unser Freund in Stimmung kommt für einen kleinen Matratzen-Tango. ‚Schreib mir
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