Platinblondes Dynamit
gehörte nicht hierher.
„Die mit dem Regenschirm!“, entfuhr es Elmo. Fürchterliche Erinnerungen hatte er, Windell. An diese Frau. Und ihren Regenschirm.
„Vor der Sie sich entblößt haben!“, erinnerte sich Meckenheim und meinte Windell. Das hatte den ganzen … Vorfall damals ausgelöst.
„Verdammt noch mal, ich habe mich niemals und vor niemandem entblößt.“ Wie lange würde ihn diese unselige Geschichte wohl noch verfolgen? Unselig von Anfang an.
Elmo hatte ihn mit zu einem Fußballspiel geschleift. Windell, dem Ballsport so was von am Arsch vorbeiging, hatte sich dermaßen gelangweilt, dass er die meiste Zeit am Bierstand zugebracht hatte. Auf dem Rückweg war dann das Bahnhofsklo voll mit anderen grölenden Gestalten gewesen. Doch die Liter wollten ans Licht, mit Macht. Oben auf der Domplatte stand dann wie immer ein Bauzaun, mit einer kleinen, versteckten Ecke. Gerade groß genug für einen. Windell hatte sich reingezwängt. Und es laufen lassen. Und laufen. Mittlerweile musste auch Elmo. Er fing an zu quengeln. Doch, wie das so ist, ausgerechnet da verhakte sich Windells Reißverschluss.
Busladungen von Touristen drängten sich über die Domplatte, und Folkmar kam und kam nicht aus der einzigen Ecke, in die man halbwegs diskret pinkeln konnte! Elmo stand das Wasser bis zum Hals, doch Folkmar ließ sich Zeit und fummelte und fummelte in angesoffener Ungeschicklichkeit an seinem Hosenschlitz herum. Bis Elmo die Geduld verlor und er seinen Kumpel einfach am Gürtel packte. Irgendwie hatte Folkmar es eine gute Idee gefunden, seinen rechten Arm hinter dem Gürtel durch in die Hose einzuführen und so zu versuchen, den störrischen Reißverschluss von innen hochzuziehen. Das war bisher nicht gelungen, doch Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand baumelten noch in fruchtlosem Bemühen vorne aus der Hose, als Elmo ihn aus der Ecke und auf die Domplatte zog. Jemand schrie. Ein Fotoblitz blitzte.
Meckenheim war damals noch Streifenpolizist und zur Domplatte abkommandiert gewesen, um mit darauf zu achten, dass der Besuch der wegen ihrer ideologischen Nähe zum Opus Dei und ihrer stringenten Ansichten zu Geburtenkontrolle, gleichgeschlechtlicher Liebe, Abtreibung und ein paar anderen heiklen Themen nicht unumstrittenen ‚Barmherzigen Schwestern der letzten Stunden Jesu Christi‘ reibungslos über die Bühne ging. Doch es hatten sich – vielleicht wegen des Pokalspiels, wer weiß – keine Demonstranten eingefunden und alles war eigentlich ruhig verlaufen. Bis zu dem Schrei. Meckenheim war herumgefahren und da stand sie, die Abteilung der Barmherzigen Schwestern in traditioneller Tracht, und ihnen direkt gegenüber, just in dem Augenblick, als Meckenheim herumfuhr, grell erleuchtet durch einen Fotoblitz, eine schwankende Männergestalt, aus deren Hosenschlitz es äußerst obszön baumelte. Im nächsten Augenblick hatten sich, angeführt von der mit dem schwarzen Regenschirm, die Nonnen kreischend auf den Mann gestürzt.
Elmo vergaß seinen Harndrang. Zwei oder drei der Nonnen hatten Folkmar zu Fall gebracht und die mit dem Schirm stach und stach und stach auf ihn ein. Auf seine Leibesmitte, um genau zu sein. Elmo stürzte los, um Folkmar zu Hilfe zu kommen. Er bekam kaum mit, dass ihn jemand stoppen wollte, ihm die Bierflasche entwand, dann hatte er seine Hände um den Schirm und ihn der Furie in Nonnentracht entrissen. Ein zweiter Fotoblitz blitzte.
Zwei Blitze, zwei Fotos. Das war die ganze Ausbeute gewesen in diesen unschuldigen Zeiten vor Einführung von digitaler Bilderflut und flächendeckender Videoüberwachung. Zwei Fotos. Pressefotos auch noch. Einmal Windell mit einem eingezeichneten Kreis rings um etwas Helles, das vorn aus seiner Hose hängt. Das zweite, Windell längst zu Boden gebracht, zeigte Elmo, einen Regenschirm hoch in Händen, wie, aus dieser Perspektive, zum Zuschlagen auf den Kopf einer Nonne. Daneben, schwankend auf einem Bein, der uniformierte Polizist Meckenheim mit auffallend dunkler Nase und einer offenen Bierflasche in der Hand.
Zwei Blitze, zwei Fotos, eine Schlagzeile:
Meckenheim trat vor den gerahmten Zeitungsartikel an der einen Wand des Büros. „‚Der Schwanzwedler, der Nonnenprügler und Polizist Saufnase‘“, las er vor, als ob er die Zeile nicht auswendig wüsste. Als ob sie nicht sein Leben ruiniert hätte.
„Sechs Wochen Krankenhaus“, erinnerte sich Windell. „Elf Stichwunden in Bauch und Oberschenkeln.“ Wo sonst noch, verschwieg er. „Von
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