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Platon in Bagdad

Platon in Bagdad

Titel: Platon in Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Freely
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einen früheren Kollegen in Pisa, umdie kopernikanischen Theorie zu verteidigen. Drei Monate später erhielt er ein Exemplar von
Mysterium cosmographicum,
und der Briefwechsel mit Kepler nahm seinen Anfang.
    Auch an Tycho Brahe hatte Kepler ein Exemplar von
Mysterium cosmographicum
geschickt, das dieser nach seinem Umzug von Dänemark nach Deutschland erhielt. In einem sehr freundlichen Antwortbrief bezeichnete der Däne die Abhandlung als »brillante Spekulation«; damit begann ein Briefwechsel, in dessen Verlauf Brahe Kepler einlud, mit ihm an seinem neuen Observatorium in der Nähe von Prag zu arbeiten. Auf Keplers Mitteilung, dass er die Einladung annehme, erwiderte Brahe: »Du wirst nicht Gast, sondern willkommener Freund und Genosse bei unseren Himmelsbetrachtungen sein.«
    Kepler kam schließlich Anfang des Jahres 1600 mit seiner Familie nach Prag, und es begann eine kurze, doch äußerst fruchtbare Zusammenarbeit mit Brahe. Er hatte gehofft, Brahes Daten unmittelbar auf die Überprüfung seiner eigenen Planetentheorie anwenden zu können. Doch er musste enttäuscht feststellen, dass es sich um Rohdaten handelte, die zunächst noch einer mathematischen Analyse unterzogen werden mussten. Außerdem war Brahe mit seinen Daten sehr eigen und gab nicht mehr heraus, als Kepler unbedingt für seine Arbeit brauchte.
    Diese und andere Meinungsverschiedenheiten führten dazu, dass Kepler schon im April des Jahres Prag wieder verließ. Nach ausgedehnten Verhandlungen über die Konditionen seiner Anstellung kehrte er im Oktober zurück, nun damit beauftragt, die Kreisbahn des Mars zu analysieren. Diese Aufgabe lag bis dahin in der Verantwortung von Brahes Assistenten Longomontanus, der jedoch gerade gekündigt hatte. Kepler schrieb später: »Ich halte es für eine göttliche Fügung, daß ich gerade in der Zeit ankam, als Longomontanus mit dem Mars beschäftigt war. Denn schlechterdings gelangen wir entweder durch ihn zur Erkenntnis der Geheimnisse der Astronomie oder diese bleiben uns ewig verborgen.«
    Mars und Merkur sind die einzigen sichtbaren Planeten, deren Exzenter groß genug sind, dass sich ihre Bahnkurven deutlich von richtigen Kreisen unterscheiden. Der Merkur befindet sich jedoch so nahe an der Sonne, dass er schwer zu beobachten ist. Der Mars ist demnach der ideale Planet für die Überprüfung einer mathematischen Theorie, und deshalb war Kepler begeistert über die Möglichkeit, diese Umlaufbahn analysieren zu können.
    Im Frühherbst 1601 nahm Brahe Kepler mit zum kaiserlichen Hof und stellte ihn Rudolf II. vor. Dabei unterbreitete er dem Kaiser den Vorschlag, zusammen mit Kepler ein neues astronomisches Tafelwerk zu erstellen, das, mit Erlaubnis des Kaisers,
Rudolfinische Tafeln
heißen sollte. Die Tafeln sollten auf Brahes Beobachtungen beruhen und wären damit wesentlich genauer als alle zuvor erstellten Tafeln. Der Kaiser stimmte großzügig zu und übernahm Keplers Salär für dieses Unterfangen.
    Kurz darauf erkrankte Brahe und starb nach elftägigem Todeskampf am 24. Oktober 1601. Auf dem Sterbebett nahm er Kepler das Versprechen ab, die
Rudolfinischen Tafeln
fertigzustellen, die, so seine Hoffnung, auf seinem eigenen Planetenmodell beruhen sollten. Kepler berichtete später über das Gespräch: »sterbend noch stellte er an mich, der ich, wie er wusste, der Lehrmeinung des Kopernikus huldigte, die Bitte, ich möchte für seine Hypothese alle Beweise durchführen.«
    Zwei Tage nach Tycho Brahes Tod ernannte Kaiser Rudolf Kepler zum Hofastronomen und Leiter des Prager Observatoriums. Dieser nahm daraufhin seine Arbeit zum Mars wieder auf, mit nun uneingeschränktem Zugang zu Brahes Daten. Zunächst probierte er die traditionellen ptolemäischen Methoden aus – Epizykel, Exzenter und Äquanten –, doch so sehr er die Parameter auch variierte, die berechneten Planetenpositionen wichen um bis zu 8 Bogensekunden von Brahes Beobachtungen ab. Da er der Richtigkeit dieser Daten vertraute, kam er zu dem Schluss, dass die ptolemäische Theorie der Epizykel, die Kopernikus verwendete, durch eine völlig neueTheorie ersetzt werden müsse: »Die Göttliche Vorsehung schenkte uns in Tycho Brahe einen so sorgfältigen Beobachter, daß durch seine Beobachtungen in dieser [ptolemäischen] Berechnung ein Fehler von acht Minuten offenbar wurde, es ist aber nur recht und billig, die Gaben Gottes dankbar anzunehmen … Hätte ich es für tunlich befunden, mich über diese acht Minuten hinwegzusetzen, hätte ich

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