Platon in Bagdad
Sterne strahlende Lichtpunkte blieben. Die Milchstraße bestand, wie sich zeigte, aus unzähligen Sternen und war doch kein die Sonne reflektierendes Nebelgebilde, wie einige geglaubt hatten. Es war allerdings auch kein atmosphärisches Phänomen, wie Aristoteles behauptet hatte. Im Oriongürtel, wo nur neun Sterne mit bloßem Auge sichtbar sind, zählte Galilei mehr als 90 Sterne, und er entdeckte vier den Jupiter umkreisende Monde, ein Sonnensystem en miniature – und damit ein weiteres Argument für die kopernikanische Theorie. Zu Ehren von Cosimo de’ Medici, dem Großherzog der Toskana, nannte er die Jupitermonde »Mediceische Gestirne«.Cosimo dankte ihm das mit der Ernennung zu seinem Hofphilosophen und dem Ersten Mathematiker der Universität Pisa. Galilei war jedoch nicht verpflichtet, dort an der Universität zu lehren oder überhaupt in der Stadt zu wohnen, so dass er sich im September 1610 in Florenz niederließ.
Ein Exemplar des
Sidereus nuncius
sandte er an Kepler, der es am 8. April 1610 erhielt und im Laufe der nächsten elf Tage eine kleine Erwiderung mit dem Titel
Dissertatio cum nuncio siderio
(Unterredung mit dem Sternenboten) verfasste, in der er seine lebhafte Zustimmung zu Galileis Entdeckungen zum Ausdruck brachte und den Leser an seine eigenen Arbeiten zur optischen Astronomie erinnerte. Er spekulierte auch über die Möglichkeit, dass der Mond Bewohner haben könnte, und er argumentierte gegen ein unendliches Universum.
Ende August 1610 lieh sich Kepler von Kurfürst Ernst von Köln ein Fernrohr und nutzte es die folgenden elf Nächte lang für die Beobachtung des Himmels, insbesondere des Jupiter und seiner Monde. Kepler war so begeistert von den Möglichkeiten des neuen Instruments, dass er in den nächsten zwei Monaten eine detaillierte Studie über den Lichtfluss durch die Linsen anfertigte. Sie wurde Ende 1610 unter dem Titel
Dioptrice
veröffentlicht und legte das Fundament für die neue Wissenschaft der Optik.
Der Tod Rudolfs II. Anfang 1612 zwang Kepler, Prag zu verlassen und einen Posten als Landesmathematiker in Linz anzunehmen, wo er 14 Jahre blieb. Zu seinen offiziellen Pflichten gehörte das Studium der Chronologie, Teil eines Kalenderreformprogramms, das Erzherzog Ferdinand II. aufgelegt hatte. Seine Studien ergaben unter anderem, dass Christus nach dem modernen (gregorianischen) Kalender im Jahr 5 v. Chr. geboren wurde.
In Linz führte Kepler seine Berechnungen für die
Rudolfinischen Tafeln
fort und veröffentlichte zwei weitere größere Werke, von denen das erste,
Harmonice mundi
(Weltharmonik), 1619 erschien. Der Titel nahm Bezug auf eine griechische Handschrift von Ptolemaios’Abhandlung zur Musiktheorie, der
Harmonike
, die Kepler 1607 erworben hatte und in Musik, Geometrie, Astronomie und Astrologie betreffenden Fragen zu Rate zog. Der wichtigste Teil der
Harmonice mundi
, Buch V, enthält das, was heute als Keplers drittes Gesetz der Planetenbewegung bekannt ist, das er am 15. Mai 1618 entdeckte. Das Gesetz besagt, dass sich die Quadrate der Umlaufzeiten der Planeten wie die dritten Potenzen ihrer mittleren Abstände zur Sonne (genau genommen, der großen Bahnhalbachsen) verhalten.
Seit Pythagoras, Platon und Aristoteles hatte es Spekulationen über die Beziehung zwischen den Zeiten der Planetenumläufe und ihrem jeweiligen Durchmesser gegeben, deshalb war Kepler hoch erfreut, dass er in der Tradition des Ptolemaios die »bei der Betrachtung der himmlischen Harmonien notwendigen Hauptsätze der Astronomie« gefunden hatte. Er beschrieb sein Vergnügen, »dass im Geiste von zwei (zeitlich doch so weit auseinander liegenden) Männern, die sich ganz der Betrachtung der Natur hingegeben hatten, der gleiche Gedanke an die harmonische Gestaltung auftauchte«. Und er fuhr fort: »Ich fühle mich hingerissen und besessen von einem unsäglichen Entzücken über die göttliche Schau der himmlischen Harmonien.«
Kepler widmete
Harmonice
Jakob I. von England. Als Antwort schickte der König seinen Botschafter Sir Henry Wotton zu Kepler mit der Einladung, sich in England niederzulassen. Doch nachdem Kepler über das Angebot ein wenig nachgedacht hatte, entschied er sich letztendlich dagegen.
Der englische Lyriker John Donne war mit den Forschungen Kopernikus’ und Keplers vertraut, vermutlich durch Thomas Harriot. 1611 hatte der Dichter den Kopernikanern erklärt: »Eure Meinungen mögen gut und gern wahr sein … die sich da im Hirne eines jeden Mannes einnisten.« Im
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