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Platon in Bagdad

Platon in Bagdad

Titel: Platon in Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Freely
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Die älteste Handschrift in der Süleymaniye-Bibliothek geht auf den Anfang der islamischen Renaissance in Bagdad zurück. Da aber alle Werke entweder auf Arabisch, Alttürkisch oder in anderen Sprachen verfasst sind, die weder ich noch meine Studenten verstehen, müssen wir auf die wenigen Übersetzungen ins moderne Türkisch oder Englische zurückgreifen oder auf akademische Überblickswerke zur islamischen Wissenschaft wie das MASI.
    Meine Studenten wundern sich immer, warum die islamische Wissenschaft nach der Zeit des Takiyuddin einen so jähen Niedergang erlebte, während sein Zeitgenosse Tycho Brahe zur gleichen Zeit im Abendland die Grundlagen für die neue Astronomie schuf. Auf ihrer Suche nach einer Antwort stellen sie meist überrascht fest, dass auch lange nach Takiyuddin noch islamische Astronomen den Himmel beobachteten. Ich erkläre ihnen dann den Grund: Die Astronomie war im Islam als Wissenschaftszweig immer anerkannt, weil die Astronomen ihre Fähigkeiten einsetzten, um die Monate des muslimischen Kalenders und die fünf Zeiten für das tägliche Gebet zu ermitteln, die
Qibla
für die Ausrichtung der Moscheen nach Mekka zu bestimmen, die Eklipsen der Sonne und des Mondes vorherzusagen und die Planetenbewegungen zu verfolgen, damit sie Horoskope für ihre Dienstherren, die Kalifen, Khans, Emire und Sultane, erstellen konnten. Ala ad-Din Mansur schilderte, wie Takiyuddin zwar seine Haut retten konnte, indem er den Kometen von 1578 als äußerst günstiges Omen für Sultan Murat III. deutete, aber dafür sein Observatorium opfern musste.
    Und so stellten die islamischen Astronomen nach wie vor ihre Beobachtungen an, wie es ihre arabischen und griechischen Vorgänger getan hatten, während ihre europäischen Zeitgenossen eine geistige Revolution auslösten, die zur Entstehung der modernenWissenschaft führte. Dadurch geriet die islamische Welt ins Hintertreffen, während seine riesigen Reiche untergingen und zerfielen. Was blieb, war die verblassende Erinnerung an die Leistungen der Physiker, Ärzte, Mathematiker, Geographen und Astronomen, die dem Abendland neben ihren eigenen Fortschritten das Wissen der alten Griechen vermacht hatten.

VERLORENES WISSEN –
WIEDERGEFUNDENES WISSEN
    M it dem Untergang der griechisch-römischen Kultur gingen viele große Werke der antiken Wissenschaft verloren. Doch einige dieser Klassiker sind im letzten Jahrhundert aus den Untiefen der Geschichte geborgen worden, in einigen Fällen auf wundersame Weise.
    Im Jahr 1900 ankerte ein griechisches Schwammfischerboot von der Insel Symi vor der nördlichen Küste des abgelegenen Inselchens Antikythera, um dort einen Sturm abzuwarten. Als sich der Sturm gelegt hatte, tauchte ein Fischer namens Elias Stadiatos auf der Suche nach Schwämmen hinab und fand auf dem Meeresboden ein Schiffswrack. Verblüfft und aufgeregt erzählte er, dass er eine Menge toter nackter Frauen gesehen habe, die sich, nachdem man sie an die Oberfläche gebracht hatte, als griechisch-römische Bronzestatuten erwiesen. Außerdem fand man in dem Wrack Schmuck, Bronze, Keramik, Möbel und mit Wein gefüllte Amphoren. Das Schiff stammte aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. und war vermutlich von Rhodos nach Italien unterwegs gewesen. Eine der Bronzestatuen, der sogenannte Jüngling von Antikythera, steht jetzt im Archäologischen Nationalmuseum in Athen. Dargestellt ist ein nackter junger Mann, den man für Paris hält, den Sohn von König Priamos von Troja, möglicherweise von dem berühmten Bildhauer Euphranor ausgeführt, der in der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. in Athen wirkte.
    Fast übersehen hatte man unter den aus dem Wrack geborgenen Dingen einen Holzkasten etwa in der Größe eines Buches. Als man ihn öffnete, kam ein zu formlosen Klumpen grünen Metalls erodierter Mechanismus aus Bronzezeigern und -rädern zum Vorschein. Der Holzkasten zerfiel bald zu Staub, doch die Bronzezeiger und -räder sind erhalten und wurden schließlich bei einer Röntgenanalyse auf ihre Funktion untersucht. Der sogenannte Mechanismus oder Computer von Antikythera erwies sich als ausgeklügeltes Räderwerk, ein astronomischer Apparat, der, wie der Wissenschaftshistoriker Derek De Solla Price von der Yale University zeigte, die Bewegungen der Sonne, des Mondes und der sichtbaren Planeten abbildete. Heute nennt man einen solchen Mechanismus Planetarium, bei den alten Griechen hieß er
Sphairopoiia
, ein Gerät zur Darstellung der Bewegungen der Himmelskörper. Eine neuere

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