Platon in Bagdad
Erscheinungen wesentlich einfacher erklären kann als das alte geozentrische Modell des Ptolemaios. Dieser Band wurde zunächst 1834 in Istanbul veröffentlicht und dann elf Jahre später in Kairo nachgedruckt. Er blieb bis zum Endedes Osmanischen Reiches die wichtigste Wissensquelle für jeden der sich für die neue, im Abendland entwickelte Wissenschaft interessierte.
Zur ersten Gründung einer osmanischen Hochschule, des Darülfünun, kam es während der Herrschaft des Sultans Abdülmecid (reg. 1839 – 1861) als Teil einer Reformbewegung mit Namen Tanzimat. Das Darülfünun, das 1869 seine ersten Studenten immatrikulierte, wurde 1900 nach dem Vorbild amerikanischer und europäischer Universitäten restrukturiert, darunter auch die naturwissenschaftliche und die medizinische Fakultät. Nach der Gründung der Türkischen Republik im Jahr 1923 wurde das Darülfünun Teil der Universität Istanbul, und das alte Mühendishane wurde als Technische Universität Istanbul neu organisiert.
Eine weitere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründete wissenschaftliche Einrichtung war das Rasathane-i Amire, ein Observatorium, das allerdings vorwiegend als Wetterstation diente. Türkische Astronomen begannen dort 1910 Beobachtungen durchzuführen, und kurz nach der Gründung der Republik wurde es an seinen jetzigen Standort in Kandilli am asiatischen Ufer des Bosporus verlegt, wo es weiterhin auch als Wetterstation und als Erdbebenforschungszentrum dient.
Heute ist das Rasathane Teil der Boğaziçi-Universität, die sich 1971 in den Gebäuden und auf dem Gelände des alten Robert College ansiedelte, das 1863 auf der europäischen Seite des Bosporus als amerikanische Mission gegründet worden war. Zwischen 1960 und 1976 lehrte ich Physik an diesen beiden Hochschulen, und seit 1993 unterrichte ich Astronomie und Wissenschaftsgeschichte an der Boğaziçi-Universität, einer Institution, der der Brückenschlag zwischen dem Osmanischen Reich und der Republik Türkei, der alten und der neuen Türkei, gelungen ist.
Eines der wichtigsten Nachschlagewerke in meinem Kurs der Wissenschaftsgeschichte ist ein enzyklopädisches Werk, das Boris A. Rosenfeld und Ekmeleddin Ihsanoğlu im Jahr 2003 in Istanbulveröffentlichten. Es trägt den Titel
Mathematicians, Astronomers and Other Scholars of Islamic Civilisations and Their Works ( 7 th
– 14
th
Centuries)
– Mathematiker, Astronomen und andere Gelehrte islamischer Kulturen und ihre Werke (7. – 14. Jahrhundert). Allgemein unter der Abkürzung
MASI
bekannt, bietet dieses Werk einen Überblick über 1711 Wissenschaftler, deren Manuskripte gemeinsam mit 1376 Werken unbekannter Verfasser in Bibliotheken in 50 Ländern aufbewahrt werden. Die Mehrzahl der Handschriften ist auf Arabisch verfasst, dazu einige auf Persisch, Syrisch, Sanskrit, Tadschikisch, Urdu, Alttürkisch, Tatarisch, Usbekisch und in anderen asiatischen Sprachen. Das
MASI
verzeichnet sie unter folgenden Themen: Mathematik, Astronomie, Mechanik, Physik, Musik, mathematische Geographie, beschreibende Geographie, Chemie und Alchemie, Mineralogie, Meteorologie, Zoologie, Botanik, Philosophie und Theologie, Literatur und Sprachwissenschaft sowie Mystik. 29 der Bibliotheken, wo die im MASI aufgeführten Manuskripte aufbewahrt sind, befinden sich im Irak, 27 im Iran, 25 in der Türkei, 15 in Indien, 10 in Ägypten, 9 in Afghanistan, 8 jeweils in Marokko und Russland, 6 jeweils im Libanon, in Spanien und Syrien, 5 jeweils in Pakistan, Usbekistan und im Jemen, 4 jeweils in Tadschikistan und in der Ukraine, 2 jeweils in Algerien, Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Portugal, Saudi-Arabien, Tunesien, und jeweils 1 in Armenien, Bangladesch, Bulgarien, Georgien, Indonesien, Kasachstan, Libyen, Nigeria, Katar und Turkmenistan, um nur die Länder zu nennen, wo einst Zentren der islamischen Wissenschaften waren.
Sechzehn der im MASI genannten türkischen Bibliotheken befinden sich in Istanbul, darunter eine am Rasathane in Kandilli, die nur osmanischen Astronomen gewidmet ist. Einige meiner Studenten der Wissenschaftsgeschichte haben Seminararbeiten über diese Handschriften in der Bibliothek am Rasathane angefertigt, insbesondere zu den Beobachtungen von Takiyuddin, dem Begründer der ersten Sternwarte in Istanbul.
Die umfangreichste Sammlung islamischer Handschriften in Istanbul befindet sich in der Bibliothek der Süleymaniye-Moschee, die 1550 – 1555 von Sultan Süleyman dem Prächtigen (reg. 1520 – 1566) erbaut wurde.
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