Platon in Bagdad
mussten. Das liest man zum Beispiel in den Schriften Ibn Kutaibas (gest. 889), dessen
Adab al-Katib
(Buch über die Ausbildung der Sekretäre) alle Fächer aufzählt, in denen Staatssekretäre ausgebildet werden sollten, darunter in Arithmetik, Geometrie und Astronomie, aber auch in praktischen Fertigkeiten wie Landvermessung, Maß- und Gewichtskunde und Bauingenieurwesen. Die erforderlichen Lehrbücher dazu hielt die griechische Wissenschaft bereit.
Al-Mansur litt unter chronischen Verdauungsbeschwerden und bald nach seinem Umzug in die neue Hauptstadt suchte er Hilfe bei den Ärzten der Medizinischen Fakultät in Gondischapur. Geheilt wurde er durch den Direktor des Krankenhauses, Giwargis ibn Bukhtishu, einen nestorianischen Christen, der danach in Bagdad als al-Mansurs Leibarzt diente. Die Bukhtishus wurden zu den führendenMedizinern Bagdads und dienten den Kalifen über mehrere Generationen als Leibärzte. Der Historiker Ibn-Usaybi’a berichtet, dass al-Mansur bei Giwargis ibn Bukhtishu viele Übersetzungen griechischer Werke in Auftrag gab. Übersetzt wurden sie aus dem Syrischen von nestorianischen Gelehrten in Gondischapur, dessen medizinisches Zentrum schließlich nach Bagdad verlegt wurde, wo es das erste Krankenhaus und die erste islamische Medizinfakultät der abbasidischen Hauptstadt war.
Al-Mansurs Sohn und Nachfolger al-Mahdi führte das Übersetzungsprogramm fort. Laut Abdallah ibn abi-Zayd, einem tunesischen Gelehrten des 10. Jahrhunderts, war die Gewohnheit der Abbasiden, griechische Bücher aus dem Byzantinischen Reich zu beziehen, dem Wesir des neuen Kalifen, Yahya ibn Chalid ibn Barmak, zu verdanken.
Die wichtigste wissenschaftliche Einrichtung in Bagdad zur Zeit der Abbasiden war das berühmte Bait al-Hikma, das Haus der Weisheit, das ursprünglich vor allem eine Bibliothek gewesen sein muss. Dort bewahrte man Handschriften auf Pahlavi auf und übersetzte einige davon zu Beginn der Abbasiden-Herrschaft ins Arabische. Der Chronist Ibn al-Nadim berichtet, dass Harun ar-Raschid den Hofastrologen Abu Sahl ibn Nawbacht am Bait al-Hikma einstellte, und »er übersetzte vom Persischen ins Arabische und berief sich in seinen Forschungen auf die Bücher des Iran«. Während der Regierungszeit al-Ma’muns waren verschiedene Astronomen und Mathematiker mit dem Bait al-Hikma verbunden, das damals wahrscheinlich sowohl Forschungsinstitut als auch Bibliothek war. Ebenfalls nach Berichten von Ibn al-Nadim war der berühmte Mathematiker und Astronom Muhammad ibn Musa al-Chwarizmi (tätig um 828) »ganztägig im Dienste von al-Ma’mun im Bait al-Hikma angestellt«.
Berühmt ist Al-Chwarizmi für sein
Kitab al-Dschabr wa
’
l-Muqabala
, bekannt unter dem einfacheren Titel
Algebra
, denn aus diesem Werk übernahmen die Europäer später den danach benanntenZweig der Mathematik. In seinem Vorwort berichtet der Autor, Kalif al-Ma’mun »ermunterte mich, ein kurz gefasstes Werk zur Algebra zu verfassen, das sich auf die feinen und wichtigen Teile ihrer Berechnung beschränkt, so wie man sie ständig benötigt: im Falle von Erbschaften, Hinterlassenschaften, Aufteilungen, Gerichtsprozessen und im Handel, sowie in jeglichem Umgang miteinander oder wo es um das Vermessungswesen, das Graben von Kanälen, geometrische Berechnungen und andere Dinge verschiedener Art und Weise geht«.
Von einem weiteren mathematischen Werk al-Chwarizmis ist nur ein einziges Exemplar in lateinischer Übersetzung mit dem Titel
De numero indorum
(Über das Rechnen mit indischen Ziffern) erhalten, das arabische Original ist verlorengegangen. Dieses Werk, das vermutlich auf arabischen Übersetzungen von Werken des indischen Mathematikers Brahmagupta (tätig 628) beruht, beschreibt die indischen Ziffern, aus denen schließlich die Zahlen wurden, die wir heute in der westlichen Welt verwenden. Die neue Schreibweise setzte sich als die des al-Chwarizmi durch und wurde dann zu »Algorismus« oder »Algorithmus« abgewandelt. Heute bedeutet Algorithmus ein Verfahren zur Lösung einer mathematischen Aufgabe in endlich vielen Schritten, häufig unter Wiederholung eines Verfahrens.
Al-Chwarizmi ist der Verfasser des ersten überlieferten Werks der islamischen Astronomie, des
Zij al-Sindhind
(
Zij
ist ein astronomisches Handbuch mit Tafeln). Dabei handelt es sich um Planetentafeln unter Verwendung früherer indischer und griechischer Elemente der Astronomie, darunter der Epizykeltheorie. Al-Chwarizmi und Fadil ibn al-Nawbacht gelten auch als
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