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Platon in Bagdad

Platon in Bagdad

Titel: Platon in Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Freely
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nach Osten gelangten die Nestorianer schließlich in die sassanidische Residenzstadt Gondischapur im westlichen Persien. Dort gehörten sie seit dem Ende des 5. Jahrhunderts der von König Schapur (reg. 241 – 272) gegründeten medizinischen Fakultät an und lehrten griechische Philosophie, Medizin und Naturwissenschaft in syrischen Übersetzungen. Die Fakultät entwickelte sich zu einem Zentrum der Übersetzung von Werken der Medizin, Kosmologie, Astronomie und der Philosophie des Aristoteles; zu verschiedenen Zeiten wurde dort Griechisch, Syrisch, Sanskrit, Pahlavi und schließlich Arabisch übersetzt.
    Der beste der frühen syrischen Übersetzer war Sergius von Reschaina (gest. 536), ein monophysitischer Priester und Arzt, der an der Platonischen Schule des Ammonios in Alexandria studiert hatte. Zu seinen Übersetzungen aus dem Griechischen ins Syrische gehörten einige der logischen Werke des Aristoteles, die Boëthius ungefähr zur gleichen Zeit vom Griechischen ins Lateinische übertragen hatte. Er verfasste auch selbst zwei Bücher zur Astronomie,
Über den Einfluss des Mondes
und
Über die Bewegung der Sonne
, die beide offenbar auf griechischen Quellen beruhen. Ein späterer syrischer Autor beschrieb Sergius als »eloquent und sehr bewandert in den Büchern der Griechen und Syrer und ein hochgelehrter Arzt des menschlichen Körpers. Seine Überzeugungen waren orthodox … doch seine Sitten waren verweichlicht, lasterhaft und von Wollust und Habsucht gezeichnet«.
    Der eminenteste syrische Gelehrte des frühen Mittelalters war Severus Sebokt (gest. 667), ein nestorianischer Bischof, der sich sowohl mit naturwissenschaftlichen als auch mit theologischen Themen befasste. Zu seinen wissenschaftlichen Schriften zählten Werke zu Logik und Astronomie sowie die erste bekannte Abhandlung zum Astrolab, einem astronomischen Instrument, das höchstwahrscheinlich hellenistischen Ursprungs ist. Er wendete auch als erster das indisch-arabische Zahlensystem an. Im Jahr 662 lobte er die Hindus und sprach »von einer beredten Methode der Arithmetik und der Kalenderrechnung der Hindus, die über das Wort hinausgeht, da sie aus neun Zeichen besteht«, ein Hinweis darauf, dass das Zeichen für die Null noch nicht eingeführt war.
    Mit dem 6. Jahrhundert hatte sich das Römische Reich im Vergleich zur augusteischen Epoche grundlegend verändert: Griechisch hatte Latein als vorherrschende Sprache in der Hauptstadt abgelöst und das Christentum hatte über die alten griechisch-römischen Götter den Sieg davongetragen. Moderne Historiker betrachten das 6. Jahrhundert als Einschnitt in der Geschichte des Reiches und die meisten bezeichnen es ab dieser Zeit eher als Byzantinisches und nicht mehr als Römisches Reich. Der Patriarch Gennadios sagte in den letzten Tagen des Byzantinischen Reiches in der Mitte des 15. Jahrhunderts: »Obwohl ich meiner Sprache nach Hellene bin, würde ich doch niemals sagen, daß ich Hellene sei, denn ich glaube nicht an das, woran die Hellenen glaubten. Ich möchte meinen Namen nach meinem Glauben wählen und, falls mich irgend jemand fragte, was ich bin, antworten: ›Ein Christ.‹ … Wenn mein Vater auch in Thessalien lebte, nenne ich mich doch nicht einen Thessalier, sondern einen Byzantiner, denn ich bin von Byzantion.«
    Seine größte Blüte und Machtentfaltung erreichte das Byzantinische Reich unter Justinian I. (reg. 527 – 565), der viele verlorene Herrschaftsgebiete zurückeroberte, so dass das Mittelmeer wiederein Römisches Meer wurde. Justinian durchtrennte die letzte direkte Verbindung mit der klassischen Vergangenheit, als er 529 ein Edikt erließ, das den Heiden das Lehren untersagte. Daraufhin schloss die Platonische Akademie in Athen nach 900 Jahren für immer ihre Pforten und ihre Lehrer gingen in den Ruhestand oder ins Exil.
    Ins Exil gingen unter anderem Damaskios, der letzte Direktor der Akademie, sowie Isidor von Milet, sein Vorgänger, und Simplikios aus Kilikien. Ihnen und vier anderen Gelehrten der Akademie gewährte der persische König Chosroes (reg. 531 – 579) im Jahr 531 Asyl und berief sie an die Medizinschule von Gondischapur. Im folgenden Jahr konnten alle sieben aus dem Exil zurückkehren, sechs von ihnen gingen wieder nach Athen, während sich Isidor in Konstantinopel niederließ.
    Simplikios ist für seine Kommentare zu Aristoteles bekannt, die viele wertvolle Materialien enthalten, die anderweitig nicht mehr verfügbar sind, darunter Fragmente vorsokratischer

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