Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Platon in Bagdad

Platon in Bagdad

Titel: Platon in Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Freely
Vom Netzwerk:
Musik, Optik, Theologie, Alchemie und Astrologie. Er war auch der erste Musiktheoretiker des Islam und stand in der pythagoreischen Tradition. In seinem Werk zur Optik folgte er in der Untersuchung der Ausbreitung des Lichts und der Schattenbildung Theon von Alexandria; seine Theorie der Aussendung und Übertragung von Licht beruhte auf der Lehre des Euklid. Mit seiner Theorie der visuellen Wahrnehmung, in der er von Aristoteles abwich, und mit seinen Studien zur Reflexion des Lichts schuf er die Grundlage für die Gesetze der Perspektive in der Malerei der europäischen Renaissance. Das Studium der Naturwissenschaft machte ihn zu einem Verfechter des rationalen Denkens, und so wurde er als erster bekannter islamischer Philosoph von fundamentalistischen muslimischen Geistlichen angegriffen. In seinem
Traktat über die Methoden zur Vertreibung der Trauer
heißt es, dass die Melancholie geheilt wird, wenn man sich dem einzig Beständigen widmet – der Welt des Intellekts.
    Al-Kindi verfasste auch ein Werk mit dem Titel
Theorie der Zauberkunst oder über Planetenstrahlen
(De radiis), das nur in lateinischen Handschriften aus dem Mittelalter überliefert ist. Er beginnt seine Abhandlung mit der Behauptung, dass die Himmelskörper Strahlen aussenden und alles im Universum, einschließlich der Menschheit, beeinflussen; folglich könnten die Astrologen durch das Studium des Himmels die Zukunft vorhersagen. Er schließt mit einer Darstellung der Zauberkraft der Amulettinschriften, einer im Islam immer noch praktizierten okkulten Kunst. »Die Weisen«, schreibt er, »haben in zahlreichen Experimenten bewiesen, dass von Menschenhand auf verschiedene Materialien absichtsvoll und bei entsprechend feierlichem Ort und Zeit und anderen Umständen eingeschriebene Zahlen und Buchstaben ewige Dinge in Bewegung versetzen.«
    Die wichtigsten Förderer der Wissenschaft unter al-Ma’munund seinen unmittelbaren Nachfolgern waren die Banu Musa, drei Brüder namens Muhammad, Ahmad und al-Hasan, die Söhne des Musa ibn Shakir, eines ehemaligen Wegelagerers, der sich später als Astrologe in Merw mit al-Ma’mun anfreundete, bevor dieser 813 n. Chr. Kalif wurde. Nach Musas Tod adoptierte al-Ma’mun dessen drei Söhne und ließ sie nach seiner Ernennung zum Kalifen in Bagdad ausbilden. Nach Beendigung ihrer Studien dienten die Banu Musa dem Kalifen und seinen Nachfolgern in verschiedener Form und wurden reich und mächtig dabei. Einen Großteil ihres Reichtums investierten sie in das Sammeln von alten Handschriften; sie unterstützten auch eine Gruppe von Übersetzern in Bagdad. Den Banu Musa selbst werden etwa 20 Bücher zu Astronomie, Mathematik und Ingenieurwesen zugeschrieben, von denen drei überliefert sind, darunter eine Abhandlung von Ahmad über ausgeklügelte mechanische Apparaturen nach dem Modell der
Automata
im hellenistischen Griechenland.
    Ibn Challikan berichtet auch, wie al-Ma’mun die Banu Musa anwies, den Erdumfang zu messen und damit die Berechnungen des Eratosthenes und anderer Wissenschaftler der griechischen Antike zu überprüfen. Die Banu Musa gingen wie folgt vor: Sie maßen die Nord-Süd-Entfernung zwischen zwei Punkten in der Wüste Sindschar, an denen die Höhe des Polarsterns um 1 Grad abwich, und multiplizierten diese mit 360. Der auf diese Weise ermittelte Wert für den Erdumfang, so Ibn Challikan, betrug 8000
Farsach,
etwa 38 654 Kilometer – der heute gültige Wert beträgt 38 772 Kilometer.
    Die beiden berühmtesten Übersetzer Bagdads waren damals Hunain ibn Ishaq und Thabit ibn Qurra, die, so der Chronist Abu-Sulayman al-Sigistani, bei den Banu Musa als »professionelle Übersetzer« angestellt waren und ein Gehalt bezogen, das dem der höchsten Staatsbeamten entsprach.
    Hunain ibn Ishaq (808 – 873), lateinisch Johannitus, wurde in al-Hira im südlichen Irak als Sohn eines nestorianischen Apothekers geboren. Er studierte in Bagdad unter dem nestorianischen ArztYuhannah ibn Masawayh (gest. 857), dem Leibarzt al-Ma’muns und seiner Nachfolger. Hunain sprach damals nur Syrisch und war enttäuscht, als ihm Ibn Masawayh auf seine Frage hin von griechischen Texten zur Medizin abriet. Laut seiner Autobiographie, der
Risala
, ging Hunain dann ins »Land der Griechen« (
bilal-al-Rum
, vermutlich Byzanz), wo er solide Griechischkenntnisse erwarb. Danach lebte er einige Zeit in Basra und lernte dort Arabisch. Schließlich zog er nach Bagdad, wo er zusammen mit seinen Schülern, darunter sein Sohn Ishaq ibn

Weitere Kostenlose Bücher