Platon in Bagdad
Hunain und sein Neffe Hubais, genaue Übersetzungen aus dem Griechischen ins Syrische sowie ins Arabische anfertigte. Sie übersetzten unter anderem die medizinischen Werke von Hippokrates und Galen, Euklids
Elemente
sowie Dioskurides’ Abhandlung
De materia medica
, die die Grundlage für die islamische Pharmakologie bildete. Ishaqs überlieferte Übersetzung der
Physik
des Aristoteles ist die letzte und beste Fassung dieses Werks in arabischer Sprache. Zu seinen Übersetzungen gehörte auch Ptolemaios’
Almagest
, und sein Vater, Hunain, überarbeitete den
Tetrabiblos
. Hunain bearbeitete auch frühere Galen-Übersetzungen von Yahya ibn al-Bitriq (gest. 820). Dabei handelte es sich um Synopsen, die auch Platons Dialoge
Der Staat
,
Timaios
und
Die Gesetze
umfassten, die erste Übertragung platonischer Texte ins Arabische.
Unermüdlich auf der Suche nach griechischen Handschriften schrieb Hunain über Galens Schrift
De demonstratione
: »Ich habe ernsthaft danach gesucht und bin dafür in die Länder Syrien, Palästina und Ägypten gereist, bis ich Alexandria erreichte, habe aber nichts finden können, außer etwa der Hälfte davon in Damaskus.«
Hunain war ein hervorragender Arzt und verfasste zwei auf Arabisch vorliegende Bücher zur Medizin, eines davon eine Medizingeschichte, das andere eine Abhandlung mit dem Titel
Über die Ernährung
, die auf Galen und anderen griechischen Autoren aufbaut. Er schrieb auch über Philosophie, Astronomie, Mathematik, Optik, Augenheilkunde, Meteorologie, Alchemie und Magie. Darüberhinaus gilt er als der Schöpfer einer Fachsprache für die arabische Wissenschaft.
Einer der wichtigen Übersetzer und Wissenschaftler, Thabit ibn Qurra (um 836 – 901), wurde in der mesopotamischen Stadt Harran geboren. Die Stadt war ein Zentrum des antiken Sabierkults, einer Astralreligion, in der die Sonne, der Mond und die fünf Planeten als Gottheiten verehrt wurden. Harran hatte seine hellenistische literarische Kultur bewahrt, und demzufolge sprachen gebildete Sabier wie Thabit fließend Griechisch, Syrisch und Arabisch. Thabit arbeitete in Harran als Geldwechsler, als er von Muhammad ibn Musa, einem der Banu-Brüder, »entdeckt« wurde, der sich gerade auf der Rückkehr von einer Expedition nach antiken griechischen Handschriften im Byzantinischen Reich befand. Muhammad nahm den jungen Thabit mit nach Bagdad und stellte ihn fest als Übersetzer ein. Nachdem sich Thabit etabliert hatte, folgten ihm einige andere Sabier nach Bagdad und begründeten eine Schule der Mathematik, Astronomie und Astrologie, die über drei Generationen Bestand hatte.
Thabit übersetzte verschiedene Werke aus dem Syrischen und Griechischen ins Arabische, unter anderem die
Einführung in die Arithmetik
von Nikomachos sowie verbesserte Ausgaben der
Elemente
von Euklid und des
Almagest
von Ptolemaios. Auch seine Nachkommen fertigten arabische Übersetzungen an, insbesondere von Schriften des Archimedes und des Apollonios von Perge.
Thabit verfasste auch einen Kommentar zur
Physik
des Aristoteles und schrieb eigene Werke zu Physik, Astronomie, Astrologie, Dynamik, Mechanik, Optik und Mathematik, darunter ein Buch mit dem Titel
Das Wesen und der Einfluss der Sterne
, in dem er die ideologischen Grundlagen für die islamische Astrologie legte, und ein umfassendes Werk über den Bau und die Theorie von Sonnenuhren.
Auch die irrige »Theorie der Trepidation« des Theon von Alexandria nahm Thabit wieder auf. Diese ging von einer Schwankungdes Himmelspols aus, während die zuerst von Hipparch aufgestellte richtige Theorie besagte, dass der Himmelspol auf einer kreisförmigen Bahn präzediert. Thabit stellte sich die Planeten als in feste Kugelschalen gebettet vor und zwischen den Himmelskörpern und den exzentrischen Kreisen eine komprimierbare Flüssigkeit. Seine Planetentheorie enthält auch eine mathematische Analyse der Bewegung, die sich auf die Geschwindigkeit eines sich bewegenden Körpers an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit bezieht, was heute Teil der Kinematik ist. In der Mathematik gelang ihm die Berechnung des Volumens eines Paraboloids, und er fand geometrische Lösungen für einige quadratische und kubische Gleichungen. Er formulierte auch einen erstaunlichen Satz zu den sogenannten befreundeten Zahlen, wonach jede Zahl eines »befreundeten« Paares die Summe der echten Teiler (aller ihrer Faktoren außer ihr selbst) der anderen ist, wobei das kleinste Paar solcher Zahlen aus 220 und 284
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