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Platon in Bagdad

Platon in Bagdad

Titel: Platon in Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Freely
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Leute in Kairo hielten ihn für wunderlich. Eines Tages, offenbar bei guter Gesundheit, erklärte er, dass er sieben Tage später sterben werde, schloss sich in sein Haus ein und begann seine Papiere zu ordnen. Dann rezitierte er den Koran unaufhörlich, bis zu seinem Tod, und zwar genau am vorhergesagten Tag. Sein Sohn verkaufte danach seine Handschriften pfundweise auf dem Seifenmarkt in Kairo.
    Der bekannteste der im fatimidischen Kairo wirkenden Wissenschaftler war Abu ’Ali al-Hasan ibn al-Haitham (um 965 – um 1041), im Abendland Alhazen genannt. Ibn al-Haitham wurde in Basra im Irak geboren und studierte dort Mathematik und Naturwissenschaften, bevor er nach Ägypten ging.
    Was die Einzelheiten seines Lebens nach dem Verlassen Basras betrifft, sind sich die Biographen uneinig. Ibn al-Qifti (gest. 1248) zufolge ging Ibn al-Haitham während der Regierungszeit von Kalif al-Hakim nach Ägypten, weil er dem Kalifen ein System zur Regulierung des Nils vorgeschlagen hatte. Bei seiner Ankunft in Ägypten war Ibn al-Haitham von den vielen antiken Bauwerken entlang des Nils zutiefst beeindruckt und ihm wurde rasch klar, dass die alten Ägypter, wenn es denn möglich wäre, solch ein Projekt zur Flussregulierung schon vor langer Zeit umgesetzt hätten. Obwohl er al-Hakim dies bei ihrem Zusammentreffen eingestand, bot ihm dieser einen Posten als Regierungsbeamter an. Aus Angst, den Kalifen zu beleidigen, einen blutrünstigen Tyrannen, der viele seiner Berater und Befehlshaber hatte hinrichten lassen, nahm Ibn al-Haitham die Stelle an. Er vermied jedoch jeglichen Kontakt mit al-Hakim und gab vor, geisteskrank zu sein, woraufhin man ihn in seinem Haus einsperrte. Dort blieb er bis 1021, als der Kalif eines Tages in die Wüste hinausritt und nie wieder gesehen ward. Daraufhin legte Ibn al-Haitham seine vorgeschobene Geisteskrankheit ab und ließ sich in der Nähe der Al-Azhar-Moschee nieder. Seinen Lebensunterhalt verdiente er, indem er unterrichtete und Abschriften von Euklids
Elementen
und Ptolemaios’
Almagest
anfertigte; gleichzeitig ging er seinen Forschungen nach.
    Laut einem anderen Biographen, Ibn Abi Usaybi (gest. 1227), beschloss Ibn al-Haitham in späteren Jahren, den Rest der Menschheit zu ignorieren und sich stattdessen auf den sichersten Weg zur Erlangung der Gunst Gottes zu begeben, die Wahrheitssuche – ein Entschluss, den er auf »Glück oder göttliche Inspiration oder eine Art Verrücktheit« zurückführte. Zunächst widmete er sich dem Studium der Theologie, das er als fruchtlos empfand. So gelangte er zu der Überzeugung, dass nur »Lehren, deren Inhalt vernunftbezogen und deren Form rational« war, die Wahrheit enthielten. Solche Lehren, schloss er, waren in den Schriften des Aristoteles zu finden und in Werken zu Mathematik, Physik und Metaphysik. IbnAbi Usaybi gibt auch eine Liste von al-Haithams Werken bis zum 2. Oktober 1038, etwa drei Jahre vor seinem Tod, die aus 92 Titeln besteht, darunter alle 55 überlieferten Werke. Doch dieses Verzeichnis ist möglicherweise unvollständig, denn Ibn al-Qifti behauptet, ein Buch zur Geometrie zu besitzen, das Ibn al-Haitham vermutlich kurz vor seinem Tod beendet und 1040 – 1041 n. Chr. mit eigener Hand als A. H. 432 signiert hatte.
    Ibn al-Haithams Werke zu Logik, Ethik, Politik, Lyrik, Musik und Theologie sind nicht erhalten, ebenso wenig seine Zusammenfassungen der Schriften von Aristoteles und Galen. Die überlieferten Werke befassen sich mit Gebieten, auf denen er – wie allgemein bestätigt – seine bedeutendsten und nachhaltigsten Leistungen erzielte: mit Astronomie, Mathematik und insbesondere Optik.
    Ibn al-Haithams Meisterwerk, sein
Schatz der Optik
, gilt als eines der wichtigsten und einflussreichsten Werke der islamischen Wissenschaft und stellt gegenüber den antiken Griechen einen entscheidenden Fortschritt in der Erforschung des Lichts dar. Ende des 12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts wurde die
Optik
unter dem Titel
Perspectiva
ins Lateinische übersetzt. Bis ins 17. Jahrhundert blieben die
Perspectiva
Gegenstand von Studien und Kommentaren und beflügelten das Studium der Optik im lateinisch geprägten Abendland.
    In Buch I der
Optik
präsentiert Ibn al-Haitham seine allgemeine Theorie des Lichts und des Sehens. Diese beruht auf »Lichtstrahlen«, die geradlinig von jedem Punkt der Oberfläche eines leuchtenden Körpers auf einen entsprechenden Punkt in den Pupillen projiziert werden. Diese wiederum fungieren als Linsen, von denen die

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