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Platon in Bagdad

Platon in Bagdad

Titel: Platon in Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Freely
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Vorrichtungen
und war das Standardwerk der Mechanik und der
Automata
in der islamischen Welt.
    Manche Erfindungen al-Dschazaris wurden später im Abendland wieder aufgegriffen, etwa das Kegelventil bei Leonardo da Vinci. Einige hatten konkrete Anwendungen, zum Beispiel Pumpen oder Schöpfwerke. Andere dienten zur Dekoration oder zur Unterhaltung, wie Springbrunnen, musikalische
Automata
und Wasseruhren sowie verschiedene Trinkgefäße, und alle wurden sie in Miniaturen illustriert.
    Mit der Eroberung Bagdads durch die Mongolen unter Hülegü Khan, einem Enkel des Dschingis Khan, ging die Abbasiden-Dynastie im Jahr 1258 unter. Hülägü ließ den letzten Kalifen hinrichten, auch einen großen Teil der Bevölkerung Bagdads. Ganze Stadtteile wurden geplündert und zerstört, darunter die Große Moschee und die schiitische Goldene Moschee im Stadtteil Kadhimain. Chronisten zufolge wurden stapelweise Handschriften verbrannt, darunter viele aus dem Haus der Weisheit.
    Nie wieder sollte Bagdad die Hauptstadt des Islam werden. Als Provinzstadt existierte es weiter und war den verschiedenen durchziehenden Eroberern ausgeliefert, bis es 1393 an Timur Lenk fiel. Von da an blieb islamischen Gelehrten nur die Erinnerung an den vergangenen Ruhm der abbasidischen Hauptstadt, die der Geograph Ya’qubi im 10. Jahrhundert in einem Loblied auf die Stadt Harun ar-Raschids mit den Worten pries: »Bagdad hat weder im Morgenland noch im Abendland seinesgleichen.«

    Ein Wasserfördergerät aus dem
Buch des Wissens über geniale geometrische Geräte
von al-Dschazari (arabische Handschrift, 14. Jhdt.).

KAIRO UND DAMASKUS
    N ach 969 stieg Kairo zum kulturellen Zentrum des Islam auf. Es war die neue Hauptstadt der Dynastie der Fatimiden, die in den folgenden zwei Jahrhunderten Nordafrika, Ägypten und Syrien beherrschte. Unter den Kalifen al-Mu’izz (reg. 969 – 975), al-Aziz (reg. 975 – 996) und al-Hakim (reg. 996 – 1021) wurde das fatimidische Kalifat in Ägypten zum mächtigsten islamischen Staat der Welt. Kairo konnte es nun an Glanz mit Bagdad aufnehmen.
    Das überdauernde Symbol der Fatimiden-Dynastie ist die grandiose al-Azhar-Moschee, 972 unter al-Mu’izz errichtet, aus der später die erste islamische Universität entstand, die es noch heute gibt. Die Entwicklung Kairos zur Kulturstadt war al-Hakim zu verdanken, dem Begründer des Dar al-’Ilm, des Hauses der Wissenschaft, einer Bibliothek, deren Ruhm nur von Bagdads Bait al-Hikma, dem Haus der Weisheit, übertroffen wurde. Al-Maqrizi zufolge, einem ägyptischen Historiker des 15. Jahrhunderts, hatte die Kairoer Bibliothek 40 Räume. Zu ihrer Sammlung gehörten 18 000 Handschriften, die sich mit der »Wissenschaft der Alten« befassten. Wie die antike Bibliothek in Alexandria war auch das fatimidische Dar al-’Ilm sowohl Forschungszentrum als auch Bildungsstätte, dort arbeiteten Mathematiker, Astronomen und Ärzte sowie Bibliothekare, Grammatiker, Lexikographen, Kopisten und Koranleser.
    Der erste bedeutende islamische Wissenschaftler im fatimidischen Kairo war der Astronom Abd ar-Rahman ibn Yunus (gest. 1009). Er wurde in Fustat, dem Vorläufer von Kairo, geboren underlebte die Eroberung Ägyptens durch die Fatimiden ebenso wie die Gründung der neuen Hauptstadt. 977, zwei Jahre nachdem al-Aziz Kalif geworden war, begann er mit seinen astronomischen Forschungen. 996, im Alter von elf Jahren, übernahm al-Hakim das Kalifat, und da er ein leidenschaftliches Interesse für die Astrologie hegte, förderte er Ibn Yunus, der seine Beobachtungen bis 1003 fortführte. In den letzten sechs Jahren seines Lebens arbeitete Ibn Yunus an der Fertigstellung der
Hakimitischen Planetentafeln
, die dem Kalifen al-Hakim gewidmet sind. Sie gelten als die genauesten astronomischen Tafeln, die die islamische Wissenschaft hervorgebracht hat, und ihre illuminierten Handschriften sollen in ihrer Schönheit denen von al-Sufi gleichen.
    Ibn Yunus war auch ein bedeutender Astrologe. Die astrologischen Vorhersagen in seiner Abhandlung
Über die Erzielung des Verlangens
basieren auf den heliakischen Aufgängen des Sirius (d. h. den Aufgängen kurz vor Sonnenaufgang), wenn der Mond in jedem der zwölf Tierkreiszeichen steht, sowie auf dem Wochentag, mit dem das koptische Jahr anfängt.
    Sein Zeitgenosse al-Musabbihi verfasste eine Biographie des Ibn Yunus, die in den Werken späterer Autoren erhalten ist. Die Biographie zeigt Ibn Yunus als Exzentriker, der nicht auf sein Äußeres achtete – die

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