Platon in Bagdad
Sehnerven die »unverwechselbare Form« des Gegenstands an das Gehirn weiterleiten, das daraus ein Bild formt. Buch II enthält seine Erkenntnistheorie auf der Grundlage der Sehwahrnehmung, die für abendländische Philosophen des 14. Jahrhunderts von Einfluss war. In Buch III behandelt er das Binokularsehen und seine Störungen,zum Beispiel die Diplopie (Doppeltsehen). Die nächsten drei Bücher befassen sich mit der Katoptrik, d. h. den Phänomenen der Spiegelung, die schon Ptolemaios untersucht hatte, wenn auch nicht so detailliert und erschöpfend wie Ibn al-Haitham.
Das siebente und letzte Buch ist der Dioptrik gewidmet, Phänomenen der Lichtbrechung, die auch Ptolemaios schon untersucht hatte. Ausführlich beschreibt Ibn al-Haitham seine verbesserte Version von Ptolemaios’ Instrument zur Bestimmung der Lichtbrechung und wendet dieses auf die Untersuchung der Brechung an ebenen und Kugelflächen mit Luft/Wasser-, Luft/Glas- und Wasser/Glas-Übergängen an. Die Ergebnisse seiner Experimente formuliert er zu acht Regeln über das Verhältnis von einfallendem und gebrochenem Strahl mit dem Einfallslot, d. h. mit dem senkrecht zur Oberfläche befindlichen Lot. Die letzten beiden Regeln besagen, dass ein dichteres Brechungsmedium das Licht zum Einfallslot hin bricht, während ein dünneres Medium es davon weg bricht. Wie schon Ptolemaios, so führte auch Ibn al-Haitham diese beiden Regeln darauf zurück, dass die Lichtgeschwindigkeit in dem dünneren Medium größer sei als in dem dichteren. Doch Ibn al-Haithams Theorie beruht auf einer neuen Methode: Die Lichtgeschwindigkeit wird in zwei unabhängige Komponenten aufgespalten, eine entlang des Einfallslots und die andere im rechten Winkel dazu, wobei sich die erste Komponente durch die Brechung veränderte, während die zweite konstant blieb. Dieses als »Parallelogrammmethode« bezeichnete Verfahren verwendeten verschiedene europäische Physiker seit dem 13. Jahrhundert zur Erforschung des Lichts wie auch der Bewegung.
Ibn al-Haitham bezieht sich auf die Arbeit eines älteren Zeitgenossen mit Namen Abu Sa’d al-’Ala Ibn Sahl, Autor einer kürzlich entdeckten Abhandlung zur Optik, die auf 983 – 985 datiert ist. Darin wie auch aus einem Verweis seitens Ibn al-Haithams wird deutlich, dass schon Ibn Sahl das Brechungsgesetz richtig angegeben hatte, das man in Europa erst im 17. Jahrhundert entdeckte.Obwohl Ibn al-Haitham von Ibn Sahls Entdeckung wusste, wandte er sie nicht auf seine eigenen Forschungen zur Brechung an.
Außerdem sind von Ibn al-Haitham neun kleinere Werke zum Thema Licht überliefert:
Über das Licht des Mondes
,
Der Regenbogen und der Halo
,
Über runde Brennspiegel
,
Die Schattenbildung, Über das Licht der Sterne, Diskurs über das Licht, Die brennende Kugel, Die Sonnenstrahlen
und
Die Form der Eklipse.
Dieses ist von besonderem Interesse, denn darin beschreibt er die Camera obscura, die Lochkamera – die erste Erwähnung eines solchen Apparats, der letztendlich zur Entwicklung der Fotografie führte.
Überliefert sind auch 20 Schriften Ibn al-Haithams zur Astronomie, darunter das Buch
Über den Aufbau der Welt
, das ins Kastilische, Hebräische und Lateinische übersetzt wurde. Dieses Werk enthält die Darstellung des astronomischen Systems des Ptolemaios anhand eines physikalischen Modells statt einer mathematischen Theorie, eines Systems, das »den tatsächlich existierenden Zustand genauer beschreiben und leichter verständlich sein« sollte. Dazu bediente er sich des Modells der homozentrischen Sphären des Eudoxos und beschrieb es umfassend und klar, ohne unnötige technische Details, was dem Werk vermutlich zu seiner Beliebtheit verhalf.
Ebenfalls überliefert ist Ibn al-Haithams astronomische Schrift, die in der lateinischen Übersetzung
Dubitationes in Ptolemaeum
(Einwände gegen Ptolemaios) heißt, eine kritische Auseinandersetzung mit drei Werken des Ptolemaios: dem
Almagest
, den
Planetenhypothesen
und der
Optik
. Bezüglich des
Almagest
richtete sich Ibn al-Haithams Haupteinwand gegen den Äquanten, weil er doch nur die Tatsache verschleiere, dass sich die Planeten in Ptolemaios’ Modell nicht mit gleichförmiger Geschwindigkeit um die Erde als Mittelpunkt bewegten.
Ibn al-Haithams Ruhm als Mathematiker gründet vor allem in seiner Lösung der sogenannten Alhazenschen Aufgabe in Buch V der
Optik
. Diese besteht darin, von zwei Punkten außerhalb einesKreises und in seiner Ebene Geraden zu ziehen, die am Kreisumfang
Weitere Kostenlose Bücher