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ist eine Berufung, eine Kunst. Der An spruch, das Beste zu schaffen, um es mit Ihnen zu teilen, neue Be reiche der Geselligkeit zu finden, um wieder mit dem Wesentlichen anzuknüpfen, das ist Aurore: Ein Hauch von Frankreich, wo immer Sie sich auf der Welt befinden.« Plötzlich wurde ihm klar, daß dieses widerliche Gefasel sich ebensogut auf eine perfekt organisierte Bordellkette beziehen könnte; vielleicht ließ sich mit den deutschen Reiseveranstaltern etwas machen. Aller Vernunft zum Trotz hielten manche Deutsche an dem Glauben fest, Frankreich sei nach wie vor das Land der Galanterie und der Liebeskunst. Wenn ein großer deutscher Touristik-Konzern bereit war, die Aphrodite Clubs in seinen Katalog aufzunehmen, wären sie einen entscheidenden Schritt weiter; niemand in der Branche hatte das bisher geschafft. Er stand im Kontakt mit Neckermann für die Übernahme der Clubs im Maghreb; aber er konnte es auch mit der TUI versuchen, die seine ersten Angebote abgelehnt hatte, weil sie selbst bereits im Niedrigpreissegment gut vertreten war. Vielleicht waren sie ja an einem Projekt interessiert, das auf eine schärfer eingegrenzte Zielgruppe abgestimmt war.
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Gleich am Montagmorgen versuchte er die ersten Kontakte aufzunehmen. Er hatte Glück: Gottfried Rembke, der Vorstandsvorsitzende der TUI, hatte vor, Anfang des kommenden Monats ein paar Tage in Frankreich zu verbringen; er war bereit, mit ihnen zu Mittag zu essen. Und wenn sie unterdessen ihr Projekt zu Papier brächten, würde er es mit Vergnügen prüfen. JeanYves ging in Valeries Büro, um ihr die Nachricht mitzuteilen; sie war starr vor Staunen. Die TUI hatte einen Jahresumsatz von fünfundzwanzig Milliarden Franc, dreimal so viel wie Neckermann, sechsmal so viel wie Nouvelles Frontières; die TUI war weltweit der größte Touristik-Konzern.
Er verbrachte den Rest der Woche damit, ein möglichst vollständiges Exposé zusammenzustellen. Finanziell gesehen erforderte das Vorhaben keine großen Investitionen: Ein paar Veränderungen der Einrichtung, ganz gewiß eine Umgestaltung der Dekoration, um ihr eine erotischere Note zu verleihen - sie hatten sich ziemlich schnell auf den Begriff »Tourismus mit Charme« geeinigt, der in allen Unternehmensunterlagen Verwendung finden sollte. Wichtig war vor allem, daß man mit einer deutlichen Senkung der Festkosten rechnen durfte: keine sportliche Betreuung, keine Kinderclubs mehr. Es entfielen die Gehälter für diplomierte Kindergärtnerinnen, die Trainer für Windsurfen, Bogenschießen, Aerobic, Tauchen; die Spezialisten für Ikebana, Töpferarbeiten oder Seidenmalerei. Nach einer ersten Simulation stellte Jean-Yves ungläubig fest, daß die jährlichen Gestehungskosten der Clubs einschließlich der Tilgung um 25% sinken würden. Dreimal führte er die Berechnung
durch, und jedesmal kam er zu dem gleichen Ergebnis. Das war um so erstaunlicher, als er eingeplant hatte, den Preis für den Clubaufenthalt um 25 % im Vergleich zum bisherigen Tarif der entsprechenden Kategorie zu erhöhen - das heißt, er wollte sich in etwa dem mittleren Tarif der Feriendörfer des Club Méditerranée anpassen. Der Gewinn stieg mit einem Schlag um 50 % an. »Dein Freund ist wirklich ein Genie...«, sagte er zu Valérie, die gerade in sein Büro trat.
Die Atmosphäre im Unternehmen war in diesen Tagen ein wenig merkwürdig. Die blutigen Auseinandersetzungen des letzten Wochenendes vor dem Einkaufszentrum in Évry waren an sich nichts Ungewöhnliches; aber sieben Tote war eine ausgesprochen schwere Bilanz. Viele von den Angestellten, vor allem von denen, die schon lange dort arbeiteten, wohnten in unmittelbarer Umgebung des Unternehmens. Sie hatten zunächst in den Hochhäusern gewohnt, die etwa zur gleichen Zeit gebaut worden waren wie der Firmensitz; anschließend hatten viele von ihnen einen Kredit aufgenommen, um sich ein Haus zu bauen. »Sie tun mir leid«, sagte Valérie, »sie tun mir aufrichtig leid. Sie träumen alle davon, sich irgendwo in der Provinz in einer ruhigen Gegend niederzulassen; aber sie können noch nicht gleich aufhören, sonst wird ihnen zuviel von der Rente abgezogen. Ich habe mit der Frau aus der Telefonzentrale gesprochen: Sie kann in drei Jahren in Rente gehen. Ihr Traum wäre es, ein Haus in der Dordogne zu kaufen; sie stammt aus dieser Gegend. Aber dort haben sich inzwischen viele Engländer niedergelassen, und die Preise sind wie verrückt in die Höhe geschossen, selbst für
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