Plattform
langem Schweigen. In diesem Augenblick tauchte wie durch ein Wunder Robert über uns auf. Er wollte die Treppe hinuntergehen. Ich machte ihm schnell Platz und lief mehrere Stufen nach oben. Kurz bevor ich auf das Restaurant zustürmte, drehte ich mich noch einmal um: Josiane verharrte immer noch regungslos und starrte Robert nach, der mit entschlossenem Schritt auf den Massagesalon zuging.
Babette und Léa standen vor den Gemüseschalen. Ich nickte ihnen zum Zeichen des minimalen Wiedererkennens zu, ehe ich mir Brunnenkresse auftat. Auch sie hatten die traditionellen Thai-Tänze wohl als zickig angesehen. Als ich an meinen Tisch zurückkehrte, stellte ich fest, daß die beiden Schnepfen ein paar Meter von mir entfernt saßen. Léa trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck Rage against the machine und sehr eng anliegende Bermudashorts aus Jeansstoff und Babette ein undefinierbares Etwas mit sich abwechselnden verschiedenfarbigen Seidestreifen und durchsichtigen Zonen. Sie schwatzten angeregt, riefen sich anscheinend verschiedene New Yorker Hotels ins Gedächtnis. Eines dieser Weiber zu heiraten, sagte ich mir, muß der totale Horror sein. Konnte ich noch den Tisch wechseln? Nein, das war ein bißchen zu auffällig. Ich setzte mich auf einen Stuhl gegenüber, um ihnen wenigstens den Rücken zuzuwenden, schlang das Essen hinunter und zog mich in mein Zimmer zurück.
Ein Kakerlak tauchte auf, als ich gerade in die Badewanne steigen wollte. Genau der richtige Moment für einen Kakerlak, um in meinem Leben aufzutauchen ; besser konnte er es gar nicht treffen. Er flitzte über die Fliesen, der kleine Geselle. Ich sah mich nach einem Pantoffel um, aber im Grunde wußte ich, daß ich kaum eine Chance hatte, ihn zu zerquetschen. Was nützte es zu kämpfen? Und was konnte Oôn schon bewirken, trotz ihrer wunderbar geschmeidigen Scheide? Wir waren schon jetzt dem Untergang geweiht. Die Kakerlaken kopulieren ohne Anmut, ohne sichtbare Freude; aber sie kopulieren zu vielen, und ihre
Genmutationen vollziehen sich sehr rasch. Wir sind den Kakerlaken gegenüber völlig machtlos.
Ehe ich mich auszog, huldigte ich in Gedanken noch einmal Oôn und allen thailändischen Prostituierten. Kein leichter Job, den diese Mädchen hatten; es kam sicher nicht so oft vor, daß sie es mit einem anständigen Kerl zu tun hatten, der relativ passabel aussah, normal konstituiert war und sich nur wünschte, gemeinsam mit ihr einen Orgasmus zu erleben. Ganz zu schweigen von den Japanern - ich erschauerte bei diesem Gedanken und ergriff meinen Guide du Routard. Babette und Léa, dachte ich, wären nicht fähig gewesen, thailändische Prostituierte zu sein; sie waren dessen nicht würdig. Valérie vielleicht; sie hatte etwas Mütterliches und zugleich etwas von einem geilen Luder, potentiell war sie übrigens beides, aber bisher war sie vor allem ein nettes, freundliches, ernsthaftes Mädchen. Und ein intelligentes dazu. Wirklich, ich mochte Valérie sehr gern. Ich onanierte leicht, um mich meiner Lektüre mit Gelassenheit widmen zu können ; es kamen ein paar Tropfen.
Obwohl der Guide du Routard vom Prinzip her das Ziel verfolgt, den Leser auf die Thailandreise vorzubereiten, äußert er in der Praxis die größten Vorbehalte und fühlt sich gehalten, bereits im Vorwort den Sextourismus anzuprangern, diese abscheuli che Sklaverei. Kurz gesagt, die Schreiberlinge, die diesen Reiseführer verfaßt hatten, waren Nörgeltypen, deren einziges Ziel darin bestand, den Touristen, die sie haßten, auch noch die letzte kleine Freude zu vermiesen. Sie liebten im übrigen nichts so sehr wie sich selbst, den kleinen sarkastischen Bemerkungen nach zu urteilen, die sich durch das ganze Buch zogen, wie etwa : »Ach, liebe Frau, wenn Sie das zur Zeit der Hippies gekannt hätten! ...« Das Unangenehmste war zweifellos dieser entschiedene, ruhige, strenge Ton, in dem eine gezügelte Empörung bebte: »Das hat nichts mit Prüderie zu tun, aber uns gefällt Pattaya einfach nicht. Was zuviel ist, ist zuviel.« Ein paar Zeilen weiter ließen sie sich über die »fettwanstigen Westeuropäer« aus,
die mit kleinen Thai-Mädchen Hand in Hand einherstolzierten; das fanden sie »geradezu zum Kotzen«. Protestantisch-humanitäre Idioten waren das, sie und die ganze »Schar von netten Freunden, die ihnen bei diesem Buch geholfen hatten« und deren dreckige Visagen selbstgefällig auf dem hinteren Buchdeckel prangten. Ich feuerte das Buch mit aller Kraft
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