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Titel: Plattform Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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Nach einem Besuch in einer Diskothek in Paimpol schlief sie trotzdem schließlich mit einem großen Blonden, einem Typen aus der dreizehnten Klasse; sie empfand kaum Lust dabei. In den letzten beiden Jahren auf dem Gymnasium versuchte sie es mehrmals mit anderen Jungen; es war leicht, sie zu verführen, es genügte, einen kurzen Rock zu tragen, die Beine übereinanderzuschlagen und eine weit ausgeschnittene oder durchsichtige Bluse zu tra gen, um ihren Busen zur Geltung zu bringen. Keines dieser Experimente war wirklich schlüssig. Vom Verstand her gelang es ihr, das triumphierende und zugleich wohlige Gefühl zu erfassen, das manche Mädchen empfanden, wenn sie spürten, daß sich ein Pimmel in die Tiefen ihrer Möse bohrte; aber sie persönlich empfand nichts Vergleichbares. Die Kondome, das stimmt allerdings, erleichterten die Sache nicht gerade; das schlaffe, sich wiederholende leise Geräusch des Latex holte sie immer wieder in die Wirklichkeit zurück und hinderte ihre Gedanken daran, in die formlose Unendlichkeit der wollüstigen Empfindungen abzugleiten. Zu dem Zeitpunkt, da sie ihr Abitur ablegte, hatte sie praktisch völlig aufgehört.
        Zehn Jahre später hatte sie noch nicht wirklich wieder angefangen, dachte sie traurig, als sie in ihrem Zimmer im Bangkok Palace aufwachte. Der Tag war noch nicht angebrochen. Sie knipste die Deckenbeleuchtung an und betrachtete ihren Körper im Spiegel. Ihre Brüste waren noch immer genauso fest, sie hatten sich nicht verändert, seit sie siebzehn war. Ihr Hintern war ebenfalls schön rund, ohne jede Spur von Fett. Sie hatte unbestreitbar einen sehr schönen Körper. Dennoch schlüpfte sie in ein weites Sweatshirt und formlose Bermudashorts, ehe sie in den Frühstücksraum hinunterfuhr. Bevor sie die Tür hinter sich zuzog, warf sie noch einen letzten Blick in den Spiegel: Ihr Gesicht war eher banal, wenn auch gefällig, aber mehr auch nicht; weder ihr schwarzes, glattes Haar, das ihr unordentlich auf die Schultern fiel, noch ihre dunkelbraunen Augen wirkten sich wirklich zu ihrem Vorteil aus. Sie hätte zweifellos mehr daraus machen können, hätte sich raffinierter schminken, eine andere Frisur tragen, eine Kosmetikerin aufsuchen können. Die meisten Frauen in ihrem Alter wandten dafür mindestens ein paar Stunden in der Woche auf; sie hatte jedoch nicht den Eindruck, daß das irgend etwas ändern würde. Ihr fehlte im Grunde vor allem der Wunsch zu verführen.
        Gegen sieben Uhr verließen wir das Hotel; es herrschte bereits dichter Verkehr. Valérie nickte mir zu und setzte sich in meiner Höhe auf die andere Seite des Gangs. Niemand sprach im Bus. Die riesige graue Stadt erwachte langsam; Motorroller mit Paaren, manchmal sogar noch mit einem Kind in den Armen der Mutter, schlängelten sich zwischen den überfüllten Bussen hindurch. Ein leichter Nebel lag noch in manchen kleinen Straßen in der Nähe des Flusses. Bald würde die Sonne durch die morgendlichen Wolken dringen, und dann würde es sehr schnell heiß werden. Auf der Höhe von Nonthaburi lockerte sich das Stadtgebiet, wir entdeckten die ersten Reisfelder. Büffel standen regungslos im Schlamm und blickten dem Bus nach, genau wie Kühe es getan hätten. Ich spürte eine gewisse Unruhe bei den Ökofreaks aus dem Jura, vermutlich hätten sie gern zwei oder drei Aufnahmen von den Büffeln gemacht.
        Der erste Halt fand in Kanchanaburi statt, einer Stadt, die sich, wie die Reiseführer übereinstimmend berichten, durch ihre lebhafte, fröhliche Atmosphäre auszeichnet. Für den Guide Michelin ist sie ein »wunderbarer Ausgangspunkt, um die umliegenden Regionen zu besuchen«; der Guide du Routard seinerseits bezeichnet den Ort als »gutes Ausgangslager«. Das anschließende Programm sah eine mehrere Kilometer lange Eisenbahnfahrt auf der Todesstrecke vor, die sich am River Kwai entlangschlängelt. Ich hatte diese Geschichte mit dem River Kwai noch nie in allen Einzelheiten begriffen, daher bemühte ich mich, den Erklärungen der Reiseleiterin zuzuhören. Zum Glück verfolgte René mit Hilfe seines Guide Michelin die Sache genau und war stets bereit, den einen oder anderen Punkt richtigzustellen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Japaner nach ihrem Kriegseintritt im Jahre 1941 beschlossen hatten, eine Eisenbahnlinie zu errichten, um Singapur und Birma zu verbinden - mit der Invasion Indiens als Endziel. Diese Bahnlinie sollte Malaysien und Thailand durchqueren. Aber was haben

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