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Titel: Plattform Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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International, die auf dem Bereich der Großküchen und der vom Arbeitgeber subventionierten Essensmarken eine gute Marktposition besaß. 1983 änderte das Unternehmen den Namen und verwandelte sich in die Gruppe Aurore. 1985 entstanden dann die Formule-1-Hotels, die ersten Hotels ohne jegliches Personal - einer der größten Erfolge in der Geschichte der Hôtellerie. Die Gruppe, die bereits in Afrika und im Mittleren Osten gut angesiedelt war, faßte in Asien Fuß und schuf ihr eigenes Ausbildungszentrum - die Akademie Aurore. Die Übernahme der Motel 6 mit ihren sechshundertfünfzig Niederlassungen in den USA im Jahre 1990 brachte die Gruppe in die Spitzenposition auf dem Weltmarkt; 1991 folgte ein erfolgreich abgeschlossenes öffentliches Kaufangebot der Gruppe Wagons Lits. Diese Übernahmen verschlangen viel Kapital, und
    1993 machte Aurore eine Krise durch. Die Verschuldung wurde von den Aktionären als zu hoch erachtet, und der Aufkauf der Méridien-Kette kam nicht zustande. Dank des Verkaufs einiger Vermögenswerte und der Sanierung von Europcar, Lenôtre und der Société des Casinos Lucien Barrière kam die Gruppe bereits im Geschäftsjahr 1995 wieder aus den roten Zahlen. Im Januar
    1997 zogen sich Paul Dubrule und Gérard Pélisson aus dem Vorstand der Gruppe zurück und übergaben die Leitung Jean-Luc Espitalier - einen Absolventen der EN A, der renommierten Verwaltungshochschule -, dessen Laufbahn die Wirtschaftszeitungen als »untypisch« bezeichneten. Sie blieben jedoch Mitglieder des Aufsichtsrats. Der Übergang vollzog sich problemlos, und Ende 2000 hatte die Gruppe ihren Status als weltweiter Marktführer gefestigt und ihren Vorsprung vor Mariott und Hyatt Nummer zwei bzw. Nummer drei auf dem Weltmarkt - weiter ausgebaut. Von den zehn größten Hotelketten auf der Welt waren neun in amerikanischer und eine in französischer Hand - die Gruppe Aurore.
        Jean-Yves stellte seinen Wagen um neun Uhr dreißig auf dem Parkplatz des Sitzes der Unternehmensgruppe in Évry ab. Er machte ein paar Schritte in der eiskalten Luft, um sich vor der Verabredung noch ein wenig zu entspannen. Pünktlich um zehn wurde er in das Büro von Éric Leguen gebeten, dem Vizepräsidenten, der für den Hotelleriebereich verantwortlich und Vorstandsmitglied war. Der Mann war fünfundvierzig, hatte die École Centrale besucht und besaß ein Diplom der Universität Stanford. Er war groß und kräftig, hatte blondes Haar und blaue Augen und glich Jean-Yves ein wenig - nur daß er zehn Jahre älter war und ein etwas selbstsichereres Auftreten besaß.
        »Präsident Espitalier empfängt Sie in einer Viertelstunde«, sagte er als erstes. »Bis dahin möchte ich Ihnen erklären, warum wir Sie hergebeten haben. Vor zwei Monaten haben wir die Kette Eldorador von der Gruppe Jet Tours übernommen. Das ist eine kleine Kette von einem knappen Dutzend Club-Hôtels mit Strandlage im Maghreb, Schwarzafrika und den Antillen. «
    » Ein Verlustunternehmen, soweit ich weiß. «
        »Die Verluste sind nicht größer als die auf dem gesamten Sektor. « Er lächelte plötzlich. » Na ja, ein bißchen größer sind sie schon. Um Ihnen nichts zu verschweigen, der Kaufpreis war angemessen; aber es war kein Spottpreis, denn es waren auch noch andere Gruppen daran interessiert: Es gibt noch eine ganze Menge Leute in der Branche, die glauben, daß es mit dem Markt wieder aufwärts geht. Zur Zeit ist der Club Méditerranée tatsächlich der einzige, der sich noch ganz gut über Wasser hält; ganz im Vertrauen gesagt hatten wir übrigens daran gedacht, dem Club Med ein öffentliches Übernahmeangebot zu machen. Aber die Beute war etwas zu groß, die Aktionäre hätten da nicht mitgemacht. Und außerdem wäre das Philippe Bourguignon gegenüber nicht sehr fair gewesen, der früher bei uns angestellt war ...« Diesmal lächelte er ein wenig schräg, als wollte er damit andeuten, daß es sich möglicherweise - aber nicht unbedingt - um einen Scherz handelte. »Kurz und gut«, fuhr er fort, »wir möchten Ihnen anbieten, die Leitung sämtlicher Eldorador Club-Hotels zu übernehmen. Ihr Ziel besteht natürlich darin, so bald wie möglich aus den roten Zahlen herauszukommen und anschließend Gewinne zu erwirtschaften. «
        » Keine leichte Aufgabe.«
        »Das ist uns klar; wir meinen aber, daß die Vergütung, die wir Ihnen anbieten, einen ausreichenden Anreiz dafür darstellen kann. Ganz zu schweigen von den vielen

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